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Der fröhliche Frauenhasser: Dr. Siri ermittelt (German Edition)

Der fröhliche Frauenhasser: Dr. Siri ermittelt (German Edition)

Titel: Der fröhliche Frauenhasser: Dr. Siri ermittelt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Cotterill
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entscheidende Rolle. Als Phan eintraf, läutete es gerade zum Unterrichtsschluss. Die Kinder scharten sich um den Wagen wie Ameisen um eine verletzte Raupe. Er führte ihnen Tricks vor: zauberte Bonbons hinter seinen Ohren hervor, ließ Stachelbeeren verschwinden. Er war der Messias. Wei war nach draußen gekommen, um ihn zu begrüßen.
    »Ich weiß. Verzeih«, sagte er. »Ich habe früher Schluss gemacht. Ich hatte nichts zu tun. Da ist mir eingefallen, dass deine Mutter gesagt hat, du hättest dich am Zeh verletzt. Sie hat gesagt, du könntest vor Schmerzen kaum laufen.«
    »Es sind doch nur ein paar hundert Meter.«
    »Trotzdem, ich dachte, du würdest vielleicht lieber nach Hause gefahren.«
    Die andere Lehrerin stand in der Tür und sah sich die Vorstellung breit grinsend an.
    »Das … das gehört sich nicht«, sagte sie. Weis Wangen waren rot wie Rosenäpfel.
    »Ich meinte natürlich, du und die Kinder.«
    »Aber dann musst du einmal um den ganzen Berg herumfahren.«
    »Das muss ich so oder so. Pass auf …« Er beugte sich zu ihr, damit die Kinder nicht mithören konnten. Er roch nach Schmieröl und irgendeinem Desinfektionsmittel. »Wirklich, ich wollte dich nicht in Verlegenheit bringen. Ich … ich wollte dir nur helfen. Wenn es dir lieber ist, kannst du natürlich gern zu Fuß gehen.«
    Ihr Blick wanderte erst zu den Kindern, die sich um den Laster drängten, dann zurück zu ihm. So groß, so zuvorkommend, so … interessant.
    »Na schön, den Kindern zuliebe«, sagte sie schließlich. »Sie haben nicht besonders oft Gelegenheit, in einem Laster mitzufahren. Das wird ihnen einen Heidenspaß machen.«
    Sie kreischten bis hinunter ins Dorf. Wei saß auf dem Beifahrersitz und strahlte übers ganze Gesicht. Plötzlich erkannte sie die Landschaft, die Umgebung, die ihr so vertraut war, nicht mehr wieder. Durch das Fenster seines Lastwagens betrachtet, hatte sie etwas … Magisches, wie im Märchen. Ein seltsames Gefühl, das sie nicht recht verstand, hatte von ihr Besitz ergriffen. Es war fast körperlich zu spüren, als müsste sie dringend zur Toilette, obwohl sie genau wusste, dass sie ohnehin nicht würde pinkeln können. Sie hatte Schmetterlinge im Bauch. Es war wie ein Zauber, als wäre sie von einem Orkan mitgerissen worden, der ihre Welt durcheinanderwirbelte.
    Die Kinder, die nicht im Dorf wohnten, wurden jedes vor seiner Hütte abgesetzt. Stolz entstiegen sie dem Laster, ganz so als seien sie mit einer privaten Limousine gekommen. Phan hob die Hand an eine imaginäre Mütze wie ein Chauffeur, wenn sie sich bei ihm bedankten. Sie würden sich noch jahrelang an dieses Erlebnis erinnern. Die Kinder aus dem Dorf setzte er an der handbetriebenen Diesel-Zapfsäule in der Ortsmitte ab. Die Provinzstraße, die das Dorf durchschnitt, war kaum zwei Trampelpfade breit. Da Busse und Militärfahrzeuge zumeist einen eigenen Benzinvorrat mitführten, war die Zapfsäule hauptsächlich Dekoration. Zwei Mal hatte Phan dort seinen Tank befüllt und das Monatseinkommen der Pächterin auf diese Weise glatt verdoppelt.
    Wei wollte mit den Kindern gehen, doch Phan fasste sie am Arm. »Wei, kann ich dich sprechen?«
    »Das …«
    »Gehört sich nicht, ich weiß.« Er lächelte. »Wir sind mitten im Dorf. Umgeben von neugierigen Blicken. Wir haben hundert Anstandswauwaus. Wovor hast du Angst?«
    »Ich habe nicht gesagt …« Sie war sprachlos. In der Schule redete sie den ganzen Tag, doch hier … bekam sie keinen vernünftigen Satz über die Lippen.
    Phan lehnte sich gegen die Fahrertür, so weit weg von ihr wie irgend möglich. Er umklammerte das Lenkrad wie einen Schild und starrte stur auf die Straße. »Ich bin … ich bin ohne Absicht, ohne Plan hierhergekommen«, begann er. »Ich wollte bloß meine Arbeit machen. Ich war schon in hundert, wenn nicht zweihundert Dörfern wie diesem. Ich habe meine Messungen vorgenommen, meine Berechnungen angestellt und bin weitergezogen. Es hat mir immer Spaß gemacht, die Leute kennenzulernen, mir ihre Witze und Geschichten anzuhören. Aber noch nie …«
    Da Wei aus dem Beifahrerfenster schaute, konnte er nicht sehen, dass sie puterrot angelaufen war. »Sag es nicht.« Sie öffnete ihre Tür einen Spalt.
    »Doch, wenn ich es jetzt nicht sage, würde ich mir das mein Lebtag nicht verzeihen. So etwas habe ich noch nie empfunden. Ich muss bald fort, und wir werden uns wahrscheinlich nie mehr wiedersehen. Deshalb möchte ich dir wenigstens von diesem … diesem überwältigenden Gefühl

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