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Der fröhliche Frauenhasser: Dr. Siri ermittelt (German Edition)

Der fröhliche Frauenhasser: Dr. Siri ermittelt (German Edition)

Titel: Der fröhliche Frauenhasser: Dr. Siri ermittelt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Cotterill
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eine Stellung in einer Fabrik angeboten. Leider war das Boot nicht ganz so fest wie unsere Entschlossenheit. Es kam ein Sturm auf. Nur ich und Jogendranath überlebten. Vier Tage trieben wir hilflos im Meer. Als wir schließlich gerettet wurden, hatte mein Sohn den Verstand verloren.«
    »Dann sind Sie und er …?«
    »Eine Weile blieben wir in Birma, bis die Junta hart gegen illegale Einwanderer vorging. Dann zogen wir weiter nach Thailand, wo wir uns mit Gelegenheitsarbeiten durchschlugen. Schließlich lud uns ein freundlicher Panjabi ein, hierherzukommen. Ich hatte schon in Rangun für ihn gekocht. Er wollte dieses Restaurant in Vientiane eröffnen. Bedauerlicherweise ist er inzwischen verstorben. Jetzt ist sein Sohn der Chef.«
    Er hatte in kaum fünf Minuten seine ganze Lebensgeschichte erzählt, und Trauer spiegelte sich in seinen großen, verquollenen Augen.
    »Und Rajid?«
    »Manchmal erinnert er sich an mich. Dann wieder spiele ich in seinen Gedanken nicht die geringste Rolle, Herr. Er hat seit unserem letzten Tag auf See kein Wort mehr gesprochen.«
    Siri wusste, dass der Inder sprechen konnte. Er hatte es mit eigenen Ohren gehört. Er fragte sich, was die Kommunikation zwischen Vater und Sohn derart erschwerte. Wie kam Rajid dazu, den Mann zu ignorieren, der seinen traumatisierten Sohn wie eine tonnenschwere Last über den ganzen Kontinent geschleppt hatte? Siri musterte den dicken, sanft lächelnden Bhiku und überlegte, welcher grausame Gott ihm dieses Schicksal auferlegt haben mochte.
    »Bhiku«, sagte er. »Sie sind doch ein intelligenter Mensch. Sie können Hindi lesen und sind in meiner Sprache recht bewandert …«
    »Sie sind zu gütig, Herr. Ich kann auch ein paar Brocken Thai und Birmanisch … von Englisch nicht zu reden.«
    »Genau das meine ich. Warum – und Sie nehmen mir diese Frage hoffentlich nicht übel – schuften Sie sich in dieser erbärmlichen Klitsche den Buckel krumm für … wie viel Lohn bekommen Sie?
    »Kost und Logis, Herr.«
    »Umso schlimmer. Warum arbeiten Sie hier quasi umsonst, wo Sie doch anderswo einen viel einträglicheren Posten finden könnten?«
    Bhiku lächelte. »Weil es mein Los ist, Herr.«
    »Wie soll ich das verstehen?«
    »Meine Frau und ich … und meine Kinder wurden als Unberührbare geboren. Wer unserer Kaste angehört, muss leiden, weil das Schicksal es so will – mein Leben ist der beste Beweis dafür.«
    »Ach, Herr Tickoo.« Der Doktor schüttelte seufzend den Kopf. Nicht zum ersten Mal überkam ihn ein schier unbändiger Drang. Wenn dieser Mann keine Hilfe brauchte, wer dann? Siri war wild entschlossen, Rajids Vater aus der Knechtschaft zu befreien, bevor ihn die Wurmfrau holen kam. Auch wenn er noch nicht recht wusste, wie er das anstellen sollte.
    »Gut.« Siri kehrte ins Hier und Jetzt zurück. »Denken wir doch mal darüber nach, wo Rajid stecken könnte.«
    »Jawohl, Herr. Das entzieht sich meiner Kenntnis. Auch ich bin in größter Sorge. Ich verbringe jede freie Minute damit, die Straßen und den Fluss abzusuchen. Ich habe es sogar der Polizei gemeldet, aber dort hat man mich nur ausgelacht.«
    »Das wundert mich nicht. Wann haben Sie ihn das letzte Mal gesehen?«
    »Vor zwölf Tagen.«
    »Also, ich habe jemanden gefunden, der ihn noch vor zehn Tagen gesehen hat, am Donnerstag.«
    »Am Freitag hatte ich eigentlich fest mit ihm gerechnet. Freitags ging er immer zu der alten französischen Villa und kam vorher mit einem Vers hier vorbei.«
    »Haben Sie irgendeine Ahnung, was er dort wollte?«
    »O ja, Herr. Mein früherer Chef hat das Haus einem Franzosen abgekauft. Er hat in der Blütezeit Vientianes dort gewohnt. Damals sprühte die Stadt geradezu vor Leben, und die Amerikaner pflasterten die Straßen mit Geld. Das Restaurant war ungeheuer beliebt. Wir hatten eine Sängerin und verdienten mit Getränken genauso viel wie mit den Speisen. Ich hatte drei Küchengehilfen. Wir hatten nur freitags geschlossen. Und jeden Freitag lud der Chef seine Angestellten zu sich nach Hause ein, zum Abendessen. Das war Tradition. Für Jogendranath war es das einzige Mal, dass er wie in einer richtigen Familie bei Tisch saß und eine zivilisierte Mahlzeit zu sich nahm.
    Damals verschwendete ich keinen Gedanken daran, aber ich vermute, das hat ihn an unsere Familie erinnert. Als der alte Besitzer starb und sein Sohn das Lokal übernahm, war es mit dieser Tradition vorbei. Aber mein Sohn ging weiterhin zu seinem Haus. Es war ihm einfach nicht beizubringen. Da

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