Der fröhliche Frauenhasser: Dr. Siri ermittelt (German Edition)
erzählen, das ich empfinde, seit ich dich am Teich das erste Mal gesehen habe. Es ist nicht … Ich wünschte, ich könnte … ich könnte bes ser mit Worten umgehen. Denn als ich dich dort stehen sah, erfasste mich eine Flut … ich weiß auch nicht, wie ich es beschreiben soll. Du hast mich verändert.«
Nie, noch nie hatte sie solche Worte gehört. Noch nie in ihren siebzehn Lebensjahren hatte ein Mann ihr seine Seele offenbart. In Laos sprachen Männer nicht über ihre Gefühle. Man konnte ein ganzes Leben mit ihnen verbringen, ohne auch nur zu ahnen, was sie empfanden. Sie war überwältigt. Es war, als hätte sich eine riesige Hand um ihr Herz geschlossen. Sie bekam keine Luft. Sie stieß die Wagentür auf und wankte mit weichen Knien davon.
Phan sah ihr nach, griff über den Beifahrersitz hinweg und zog die Tür zu. Die Frau, die den Diesel zapfte, stützte sich auf den Tresen in der winzigen Kassenhütte. Sie lächelte. Achselzuckend erwiderte er das Lächeln. Sie reckte den Daumen.
Es war ein Klacks, ein Kinderspiel.
Es war erst halb fünf an diesem endlos langen Montag. Siri saß auf einer Holzbank im neuen Justizministerium. Er hatte von dem Dilemma gehört. Vor der wundersamen Verwandlung der Behörde in ein Ministerium hatte Richter Haeng in den Augen der Regierung sämtliche Voraussetzungen für seinen Job erfüllt. Er war Richter, auch wenn er sein Diplom per Schnellstudium in der Sowjetunion erworben hatte, und stammte aus wohlhabender Familie. Kurz: ein mustergültiger Abteilungsleiter. Für den Ministerposten jedoch galt er, obwohl die Arbeit im Wesentlichen dieselbe war, als Fehlbesetzung. Ein Minister hatte bestimmten Erwartungen gerecht zu werden. Wie konnte ein kaum Vierzigjähriger diesen Ansprüchen genügen? Ein Minister musste Erfahrung ausstrahlen, sein Antlitz von den Linien der Weisheit gezeichnet sein. Haeng hatte Akne. Welcher Diplomat würde einem verpickelten Minister freiwillig die Hand schütteln?
Und so wurde derzeit ein Büro im obersten Geschoss des Justizministeriums für die Ankunft des neuen Ministers hergerichtet. Siri sah zu, wie alte Männer behände wie Spinnen an dem Bambusgerüst herumkraxelten. Sie schlugen die tönernen Hornissennester ab und ersetzten die kaputten Lamellen in den Fensterläden. Da bislang niemand wusste, wer der neue Minister sein würde, blieb Richter Haeng vorläufig im Amt. Für ihn war es ein äußerst schmerzhafter Schlag ins Gesicht gewesen, und seine Laune war entsprechend. Dies war gewiss nicht der beste Zeitpunkt, um ihn um einen Gefallen zu bitten.
»Der Richter lässt jetzt bitten, Doktor«, sagte Manivone. Sie war nicht nur die Empfangsdame, sondern auch die Leiterin des Schreibbüros und nicht zuletzt der eigentliche Kopf hinter dem Justizministerium. Ohne sie hätte Haeng Motorradtaxi fahren müssen, da gab es für Siri nicht den geringsten Zweifel.
»Zu welcher Garderobe würden Sie mir raten?«
»Ich empfehle einen robusten, möglichst stoßfesten Helm«, sagte sie und geleitete ihn den offenen Korridor entlang. »Und da es auf Feierabend zugeht, kann auch ein Büßerhemd nicht schaden. Sein vietnamesischer Berater ist bei ihm, weshalb der Richter sein Temperament gehörig zügeln und sich zur Abwechslung einmal in Demut üben muss. Wenn Sie ihm ein wenig um den Bart gehen, könnte er sich Ihrer eventuell erbarmen.«
»Bartpflege war noch nie meine Stärke.«
»Ich weiß. Aber reizen Sie ihn nicht. Sie wissen ja, wie er ist, wenn man ihn reizt. Vertrauen Sie einfach auf Ihr Improvisationstalent.« Siri klopfte an und drehte den Türknauf. »… und Ihren sechsten Sinn«, setzte sie hinzu und lachte hinter vorgehaltener Hand.
Lächelnd betrat Siri den Raum. Haeng saß an seinem Schreibtisch, und was auch immer er dort trieb, war offenbar so wichtig, dass er den Eindringling keines Blickes würdigte. Genosse Phat, ein Vietnamese, dem es zwar an Zähnen, nicht aber an Charisma mangelte, sah von seinem Tisch in der Ecke auf und grüßte ihn auf Vietnamesisch. Siri erwiderte den Gruß, und Phat lachte. Das war vermutlich kein guter Einstieg, falls Siri den Richter für sich gewinnen wollte. Haengs Vietnamesisch war zu schlecht, als dass er den Scherz verstanden hätte. Er rechnete vermutlich mit dem Schlimmsten.
Siri setzte sich auf den wackligen Stuhl vor Haengs Schreibtisch und harrte seiner Audienz. Der Richter verfasste allem Anschein nach ein Memorandum. Er schrieb wie ein Kind, mit zwischen die Lippen geschobener
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