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Der fröhliche Frauenhasser: Dr. Siri ermittelt (German Edition)

Der fröhliche Frauenhasser: Dr. Siri ermittelt (German Edition)

Titel: Der fröhliche Frauenhasser: Dr. Siri ermittelt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Cotterill
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erwarten war. Richter Haeng hätte ihm wahrscheinlich einen Dienstwagen zur Verfügung stellen können, doch eher wäre Siri mit bloßem Hinterteil eine unbehauene Planke hinabgerutscht, als das pickelige Bürschchen um einen Gefallen zu bitten.
    Und so saß Siri denn auf seiner altersschwachen Triumph, und die glühend heiße Luft föhnte ihm die Falten aus dem Gesicht. Dtui hatte auf dem Sozius mitfahren wollen, war inzwischen jedoch derart umfangreich, dass Siri Angst hatte, die Buckel und Schlaglöcher könnten zu verfrühten Wehen führen. Folglich war er allein: Easy Rider. Civilai und er hatten den Film in Hanoi gesehen, in einer französischen Synchronfassung. Siri hätte am liebsten den Kopf in den Nacken geworfen und lächelnd in den Himmel geblickt wie Peter Fonda, doch er wusste, dass er über kurz oder lang im Graben landen und Sternchen sehen würde, wenn er die Straße nicht ständig im Auge behielt. Als Motorradfahrer in Laos bekam man nicht allzu oft Gelegenheit, sich an der Landschaft zu erfreuen. Zwar konnte er nirgends so schnell fahren, dass sein schütteres Haar im Winde wehte, doch er roch den Duft der Fäustlingsblüten, die das löchrige Asphaltband säumten. Bei dieser Geschwindigkeit konnte kein Wurm der Welt mit ihm Schritt halten. Genau das Richtige für einen Mann, der an der Schwelle zum Jenseits stand.
    Als er am frühen Nachmittag in Ban Xon ankam, sah er aus, als habe man ihn in gemahlenem Zimt gewälzt. Er setzte seine Motorradbrille ab und betrachtete sich im Spiegel: Er sah aus wie ein ausgemergelter, rotbrauner Panda. Er musste sich dringend waschen. Am erstbesten Kaffeestand machte er halt, bestellte Wasser und Kaffee und genehmigte sich eine Tüte vietnamesischer Knabbereien, die an einer Schnur vor der Bude baumelten. Er klopfte sich den Staub aus den Kleidern und wusch sich mit Wasser aus einem Lehmkrug. Als er wieder wie ein Mensch aussah, setzte er sich und trank seinen Kaffee. Wie nicht anders zu erwarten, schmeckte er nach Straßenstaub.
    Die Besitzerin der Bude war eine korpulente und – nach leichten Anlaufschwierigkeiten – gutgelaunte Frau von Mitte fünfzig. Die gleiche korpulente, gutgelaunte Frau stand hinter dem Tresen sämtlicher Nudelküchen und Kaffeebuden im ganzen Land. Siri hatte sie schon tausendmal gesehen: das gleiche Lächeln, das gleiche achtlos zu einem Dutt verschlungene Haar, der gleiche derbe Humor. Die gleiche verwaschene, pastellfarbene Bluse, der gleiche zerschlissene lila phasin .
    Siri war der einzige Gast, und die Frau sehnte sich offensichtlich nach Gesellschaft, denn kaum hatte sie ihm sein Glas Kaffee serviert, setzte sie sich auch schon zu ihm. Nachdem sie das übliche Vorgeplänkel – Arbeit, Herkunft, Alter (»Sie sehen viel jünger aus«), Familienstand, Kinder usw. – absolviert hatten, fragte sie, frei von der Leber weg: »Was führt Sie nach Ban Xon?«
    »Ich möchte mir die unsichtbare Frau ansehen«, antwortete Siri lächelnd.
    »Wissen Sie was, Onkel?« Sie beugte sich zu ihm, und die Tischplatte knarrte. »Ich kapiere einfach nicht, wie dieses alberne Gerücht die Runde machen konnte. Ich werde dauernd danach gefragt, ob an der Geschichte etwas dran ist.«
    »Und?«
    »Sie sind doch Arzt, Onkel. Was meinen Sie?«
    »Ich sehe ständig Dinge, die ich mir nicht erklären kann.«
    »Aber das ist einfach … lächerlich. Das Mädchen hatte gute Gründe, sich von Kopf bis Fuß zu verhüllen.«
    Siris Herz vollführte ein Tänzchen. »Dann gab es das Mädchen also?«
    »Aber ja. Und sie war alles andere als unsichtbar. Bild hübsch. Sie hat keinen Tanz und kein Dorffest ausgelassen. Auch wenn sie natürlich immer erst nach Einbruch der Dunkelheit das Haus verließ.«
    »Wieso natürlich?«
    »Weil sie krank war. Sie hatte so eine Art Sonnenallergie. Alle wussten davon. Die Leute hier nehmen Fremde auf der Durchreise gern ein wenig auf den Arm. Wahrscheinlich ist die Geschichte von der Unsichtbaren so entstanden.«
    »Warum sprechen Sie in der Vergangenheitsform von ihr?«
    »Weil sie nicht mehr da ist, Onkel. Sie hat einen jungen Mann geheiratet und ist fortgezogen. Eine verdammt gute Partie, wenn Sie mich fragen.«
    »Wann war das?«
    »Vor gut einer Woche. Ich war bei der Hochzeitsfeier. Da ging’s hoch her.«
    »Dann haben Sie den Bräutigam gesehen?«
    »Ein interessanter Bursche. Machte einen netten Eindruck. Ein echter Glückspilz, würde ich sagen. Den hätte ich auch nicht von der Bettkante gestoßen. Ein hohes Tier beim

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