Der fröhliche Frauenhasser: Dr. Siri ermittelt (German Edition)
seinem Schreibtisch zu wischen und sich vor dem drohenden Exitus noch rasch eine Lebensphilosophie zurechtzuzimmern, während der Fall der erdrosselten jungen Dame nach wie vor der Aufklärung harrte.
Als gegen neun zwei eindeutig betrunkene und noch dazu beängstigend dickleibige Männer in die Pathologie gewankt kamen und nach Reisschnaps stinkend zu johlen und krakeelen anfingen, hätte Siri sie am liebsten achtkantig hinausgeworfen.
»Sie befinden sich in einem Krankenhaus«, sagte er. »Also schlafen Sie gefälligst Ihren Rausch aus, bevor Sie hier herumtorkeln.«
Er hatte nichts gegen Betrunkene per se – er hatte weiß Gott oft genug selbst zu tief ins Glas geschaut –, doch Dienst war Dienst und Schnaps war Schnaps. Und neun Uhr morgens in einer Pathologie war für Letzteres weder die rechte Zeit noch der rechte Ort.
»Sind Sie Arzt?«, erkundigte sich der Nüchternere der beiden. »Wir suchen einen Arzt.«
»Ich bin Leichenbeschauer«, erklärte Siri. »Kommen Sie wieder, wenn Sie tot sind.«
»Wie hieß er noch?«, fragte der eine seinen Kollegen.
»Wer?«
»Na, der Arzt, zu dem sie uns schicken wollten. Gehen Sie zu Dr. … Scheiße, wie hieß er bloß?«
Inzwischen waren Geung und Dtui in der Tür erschienen und schlichen sich von hinten an, um die beiden Eindringlinge an die Luft zu setzen.
»Dr. Syphi…«, lallte der andere Trunkenbold.
»Siri«, sagte der Erste, »Siri Pai… Soundso.«
»Ich finde, Sie sollten nach Hause gehen und wiederkommen, wenn Sie wieder bei einigermaßen klarem Verstand sind«, meinte Siri. Er stieg über einen schlafenden Hund hinweg, den außer ihm niemand sehen konnte, und trat vor seinen Schreibtisch.
»Aber die Polizei hat uns geschickt«, sagte der erste Mann.
»Die Polizei? Warum?«
»Wir suchen den Inspektor.«
Er hielt Siri einen Zettel hin, auf dem Phosys Name und Telefonnummer standen, ließ ihn jedoch fallen und sah versonnen zu, wie er zu Boden schwebte und unter dem Schreibtisch verschwand. Sein Kollege sank auf die Knie und nahm die Verfolgung auf.
»Die Mühe können Sie sich sparen«, sagte Siri. »Ich hab’s gesehen.« Doch der Zweite war dem entfleuchten Stück Papier bereits dicht auf den Fersen. Als er Siris Stimme hörte, wollte er aufstehen, aber da er vergessen hatte, dass er sich unter einem Schreibtisch befand, krachte er mit dem Kopf gegen die Unterseite und plumpste von Neuem zu Boden. Worauf die beiden Männer einen Lachanfall bekamen.
»Dtui, holen Sie mir mein Gewehr«, sagte Siri. Siri hatte zwar kein Gewehr, trotzdem tat Dtui wie geheißen und eilte davon.
»Nein«, rief der erste Trunkenbold. Er rang verzweifelt die Hände. »Nicht schießen. Der Polizist hat gesagt, wenn mir einfällt, wer mir von der unsagbaren Reisbäuerin erzählt hat, kriege ich eine halbe … nein, eine ganze Flasche Thai-Rum.«
Plötzlich wurde Siri klar, worum es ging.
»Ich nehme an, Sie meinen ›unsichtbar‹?«
»Hab ich doch gesagt.«
»Die Frau, die von Kopf bis Fuß verhüllt auf dem Feld gearbeitet hat?«
»Ja!«
»Und wer hat Ihnen von ihr erzählt?«
»Na, er.«
Er zeigte auf die Beine des zweiten Trunkenboldes, der unter dem Tisch das Bewusstsein verloren zu haben schien.
»Herr Geung, wären Sie wohl so freundlich, diesen Herrn unter dem Schreibtisch hervorzuziehen?«
Geung war kräftiger, als er aussah, und hatte den Dicken im Nu zutage gefördert und auf einen Stuhl gehievt.
»Danke«, sagte Siri. Er beugte sich über den benommenen Fahrer und funkelte ihn wütend an. »He, Sie!«
»Ich?«
»Ja. Sie haben die Frau gesehen?«
»Welche Frau?«
»Die angeblich unsichtbar war.«
Die Augen des Mannes starrten vor sich hin, als würde er sich an einen Albtraum erinnern. »Von wegen angeblich. Sie war unsichtbar.«
»Wo war das?«
»Nur ein Geist … ein Gespenst … nichts … unter dem …«
»Wo … war … das?«
»Auf dem Feld.«
»Gut. Meine Schuld. Falsche Frage. Wo war das Feld?«
»Wo?«
»In welchem Bezirk?«
»Ban Xon.«
Von Vientiane nach Ban Xon waren es nur siebzig Kilometer, und die Straße verlief größtenteils schnurgerade. Siri wäre lieber mit Begleitung gereist, wenn möglich in einem Auto oder Laster. Civilai hatte zwar ein Auto, fuhr aber so langsam, dass die Zwillinge bei ihrer Rückkehr vermutlich bereits knietief in der Pubertät steckten. Seine Nachbarin Fräulein Vong hatte zwar einen Laster, redete aber nach wie vor nicht mit Herrn Inthanet, weshalb von ihrer Seite keine Hilfe zu
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