Der fröhliche Frauenhasser: Dr. Siri ermittelt (German Edition)
Schönheitswettbewerb zu gewinnen. Wenn, ja wenn es ihnen gelang, ihre Haut vor der Sonne zu schützen. Und so dichteten Mangaew und Boonhee ihr eine Krankheit an, eine Allergie, die es ihr verbot, ihre Haut der Sonne auszusetzen. Den Nachbarn erzählten sie, ihre Tochter sei bei einem Spezialisten in Thailand gewesen, und wenn sie sich tagsüber im Freien aufhalte, könne das ihren Tod bedeuten.
Ngam hatte ihren Eltern natürlich geglaubt und sich an deren Anordnung gehalten. Sie blieb im Haus, spielte mit ihren Brüdern und bedeckte sich von Kopf bis Fuß, wenn sie bei der Ernte helfen musste. Eine freundliche Lehrerin aus der Dorfschule hatte Mitleid mit dem Mädchen und erklärte sich bereit, abends bei der Kleinen vorbeizuschauen und ihr Vitamine und ein bescheidenes Maß an Bildung zu verabreichen. An Ngams sechzehntem Geburtstag nahm ihre Mutter das Geld, das sie beiseitegelegt hatte, um die Schönheit ihrer Tochter von einem Berufsfotografen in Phonhong im Bild festhalten zu lassen. Das Ergebnis schickte sie an die Veranstalter des Wettbewerbs. Ein Mitglied des Komitees besuchte das Mädchen auf dem Bauernhof, um sich zu vergewissern, dass der Liebreiz, den sie auf den Schnappschüssen gesehen hatten, keine optische Täuschung war. Die Frau zeigte sich höchst erstaunt darüber, dass in diesen ärmlichen Verhältnissen solche Anmut blühen und gedeihen konnte. Sie versicherte Ngams Eltern, die Teilnahme ihrer Tochter am nächstjährigen Wettbewerb sei eine ausgemachte Sache, zudem sei Ngam – ganz im Vertrauen – so schön, dass sie die Konkurrenz schwerlich zu fürchten brauche.
Mongaew war überglücklich. Sie wusste genau, was das bedeutete. Die Gewinnerin der Wahl zur Miss Sangkhan bekam alljährlich ein hübsches Preisgeld überreicht. Und war obendrein eine gesuchte Werbeträgerin: für Bohnen und Zement, für Landmaschinen und Limonade, alles gegen Honorar. Aber, wichtiger noch, wollte nicht jeder wohlhabende Mann das schönste Mädchen der Provinz zur Frau haben? Sie würden sich buchstäblich um die Kleine reißen. Ein wahrer Geldregen würde auf Mongaew niederprasseln. All das Elend, all die Entbehrungen würden ein auskömmliches Ende haben, ihr armseliges Dasein der Vergangenheit angehören. Mongaew hatte alles auf ihre Tochter gesetzt und gewonnen.
Als im darauffolgenden Jahr der politische Umsturz kam und die Royalisten zu Tausenden über den Mekong entschwanden, wurde der Schönheitswettbewerb abgesagt. »Nächstes Jahr«, hieß es. »Nächstes Jahr ist wieder alles beim Alten, und Ihre Tochter wird zur Miss Sangkhan gekrönt.« Dummerweise fasste eine Konferenz kleinkarierter Sozialisten kurz darauf den Beschluss, Schönheitswettbewerbe seien ein Relikt ebenjener dekadenten Gesellschaft, welche die Partei mit Stumpf und Stiel ausmerzen wollte. Viehmärkte, weiter nichts. Entwürdigend. Und frauenfeindlich. Weshalb sämtliche Schönheitswettbewerbe mit sofortiger Wirkung verboten wurden.
Mit ihren sechzehn Jahren stand Ngam in der Blüte ih rer Jugend. Kaum eine Siegerin der Wahl zur Miss Sangkhan war älter als siebzehn gewesen. Sie alterte rapide, und nichts deutete darauf hin, dass die Pathet Lao ein Einsehen haben würden. Für Mongaew und ihre Familie brach eine Welt zusammen. Doch noch bestand ein Fünkchen Hoffnung, dass Ngams Schönheit sie von der Armut erlösen würde. In ihrer Verzweiflung schleppte Mongaew ihre Tochter zu jeder abendlichen Hochzeitsfeier im Bezirk. Manchmal waren es zwei Stunden Fußweg zum Haus des trauten Paares. Wenn Ngam der verdiente Starruhm schon versagt blieb, wollte Mongaew sie wenigstens mit einem Mann vermählen, der über die nötigen Beziehungen verfügte. Vielleicht der Sohn eines Funktionärs.
Und siehe da, eines Abends wurde ihr neues Gebet schließlich erhört. Der Mann aus Vientiane war ein schneidiger Bursche. Er leitete ein Straßenbauprojekt, wohnte beim Dorfvorsteher, besaß gute Manieren und einen wunderbaren Humor. Er war höflich und gepflegt und fuhr noch dazu einen Laster. Mongaew verliebte sich auf den ersten Blick in ihn. Und die Hochzeitsgäste bemerkten rasch, dass der Besucher ein Auge auf Ngam geworfen hatte. Danach ging alles furchtbar schnell. Es war wie ein Märchen im Zeitraffer: Verlobung, Liebesbriefe aus der Hauptstadt, ein nochmaliger Kurzbesuch, eine kleine Feier und dann, von einem Augenblick zum anderen, war ihre Tochter auf und davon. Nun brauchte Mongaew nur noch die Hände in den Schoß zu legen und darauf zu
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