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Der Fürst der Wölfe - Wegner, L: Fürst der Wölfe

Der Fürst der Wölfe - Wegner, L: Fürst der Wölfe

Titel: Der Fürst der Wölfe - Wegner, L: Fürst der Wölfe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lara Wegner
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zwischen Zeige- und Mittelfinger geschoben hatte. Vergeblich versuchte Grishan, den Blick von Mica zu erhaschen. Branwyn ließ die Arme wieder sinken und der Moment ging vorüber.
    „Phosphorus stürzte zu uns herab, um uns das Licht zu bringen. Bis heute sprechen die Sterblichen vom Licht der Erkenntnis, als wären sie dessen wert. Der Spiegel der Sonne war für das alte Volk bestimmt. Für dieses Vergehen wurde der Lichtbringer in eine Finsternis verbannt, die dunkler ist als unsere Nächte, und der Kristall wurde ihm genommen und den Tiefen eines Gewässers übergeben, bewacht von einer Asrai.“
    Mica hob eine Augenbraue. „Wie praktisch für dich, dass dieses Gewässer in Schottland liegt.“
    Die Antwort triefte vor Ironie und besaß gleichzeitig die Schärfe einer Schneide. Es machte Grishan bewusst, wovon er Zeuge wurde. Zwei uralte Vampire standen sich gegenüber und fochten einen Kampf aus, dessen Regeln ihm unbekannt waren. Er hatte hier nichts verloren. Zum ersten Mal wünschte er einen hart gesottenen Alphawolf an seine Seite, doch sah er nicht Gilian vor sich, sondern Juvenal.
    „In Schottland existieren viele tiefe Lochs, Mica. Dass der Kristall in meinem Revier verborgen war, ich ihn fand und an mich nehmen konnte, ist ein Omen.“ Branwyn hob die Stimme. „Der Spiegel der Sonne steht dem alten Volk zu, denn seinLicht war dazu gedacht, unser ewiges Dasein zu erhellen. Ihr alle habt an eine Legende geglaubt. Selbst du hast nie versucht, die Wahrheit zu ergründen. Ich bin es, der seine Pflicht an unserem Volk erfüllt, und ich werde derjenige sein, der das vereint, was dein Kodex getrennt hat. Indem ich an mich nahm, was unser ist und wofür ein Engel in die ewige Finsternis stürzte. Deine Tage sind gezählt.“
    Grishan spürte einen heftigen Schluckreiz. Es war an der Zeit, zu handeln und diesem Vampir das lügnerische Maul zu stopfen. Stattdessen stand Mica nur da, eine Verachtung in den Türkisaugen, die Branwyn zu einer Wanze abstempelte.
    „Das alte Volk ist informiert“, zischte Branwyn. „Eine Abordnung der Ältesten wird nach London kommen. Wenn sie den Kristall in meinen Händen sehen, wem werden sie dann huldigen, Mica? Ich lege ihnen die Sonne zu Füßen. Was kannst du ihnen bieten?“
    „Zu bedauerlich, dass ich keine Einladung erhielt, obwohl ich der Älteste unter allen alten Vampiren bin und euer Großmeister noch dazu“, mokierte sich Mica.
    Mit einem Aufschrei schnellte Branwyn vor. Was immer er in seiner Handfläche verborgen hatte, nun kam es zum Einsatz. Kaum hatte Branwyn den Arm nach vorn gestoßen, wich er auch schon wieder zurück und erreichte Grishan. Eine Faust krachte in seine Magengrube, ehe er überhaupt wusste, was genau soeben geschehen war. Er stürzte, helle Punkte vor den Augen. Nahezu blind haschte er nach einem Bein und griff daneben. Er rappelte sich würgend auf, sank gegen den steinernen Türsturz und hielt sich daran aufrecht. Mehrmals musste er blinzeln, um seine Benommenheit abzuschütteln. Blutgeruch stieg in seine Nase. Mica lag auf den Knien, eine Hand am Boden aufgestützt. Die andere drückte er gegen seinen Leib. Zwischen seinen Fingern quoll Blut hervor. Nahezu schwarz tropfte es auf die Steinfliesen und hatte binnen kürzester Zeit eine Lache gebildet. Dies war die zweite, erschütternde Lektion in dieser Nacht: Auch der Großmeister der Vampire war verwundbar. Mica hob angestrengt den Kopf. Seine Haut war so blass, dass bläuliche Adern an Kinn und Wangen zu erkennen waren.
    „Hinter…her.“
    Entsetzt starrte Grishan ihn an. Der Goldene verblutete vor seinen Augen.
    „Grishan, folge … ihm bis zu seinem … Hort. Du kannst … es.“
    Die Zuversicht in Fähigkeiten, an denen alle anderen zweifelten, gab Grishan Auftrieb. Ja, er konnte dem Meuchelmörder folgen. In immer längeren Sätzen spurtete er durch die Gänge auf den Ausgang zu. Vielleicht würde Mica erlöschen, von einem Vampir getötet, der ihm die Treue aufgekündigt hatte, aber er würde dafür bezahlen. Die Duftnote aus Rosmarin und Thymian hing einem roten Faden gleich in der Luft, nicht zu verfehlen, obgleich sie im Regen abflachte. Grishan rannte so schnell er konnte. Seine Jacke segelte in die Gosse, sein Hemd folgte. Es wurde gleichgültig, ob er ein Werwolf oder eine Raubkatze war. Das Jagfieber blieb sich gleich und führte ihn in die Verwandlung. Seine Stiefel schlitterten über das nasse Pflaster, die zerfetzte Kniehose flog durch die Luft. Wie ein gefleckter

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