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Der Fürst der Wölfe - Wegner, L: Fürst der Wölfe

Der Fürst der Wölfe - Wegner, L: Fürst der Wölfe

Titel: Der Fürst der Wölfe - Wegner, L: Fürst der Wölfe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lara Wegner
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harte Schale mit einem Biss ihres spitzen Eckzahnes auf. Der Inhalt erinnerte an ein winziges Hirn. Vorsichtig pulte sie die Nuss heraus und kaute darauf herum. Trocken. Ein wenig bitter. Und beim Schlucken kratzte es im Hals. Sie warf den Rest ungehalten zu Boden und vertrieb mit einem großen Schluck Wein den Geschmack in ihrem Mund. Sie stand kurz davor, Trübsal zu blasen.
    Ein Nachtgeschöpf sollte den Wald durchstreifen, anstatt im Haus zu bleiben. Natürlich hätte sie wie die anderen hinausgehen können, aber wozu wäre es gut? Es hätte ihr nur abermals vor Augen geführt, dass sie ohne Blutquellen auskam und die Jagd unnötig geworden war. Vermutlich würde niemand vor dem Morgengrauen zurückkehren. So lange blieb sie sich und ihren tristen Gedanken überlassen. Zum ersten Mal war sie vollkommen allein. Selbst auf ihrer Reise war sie von Sterblichen umgeben gewesen, hatte ihren Atem aus den Nebenzimmern der Herbergen gehört. In diesem Haus drang einzig der eigene Atem an ihre Ohren.
    Sie trat an das Fenster. Das Licht einer nahezu vollen Mondscheibe fiel auf die Lichtung und verlieh den Regentropfen einen silbrigen Schimmer. Hinter den Haselsträuchern zeigte sich die Nacht undurchdringlich. Die Finsternis kam ihr vor wie eine abweisende Front. Das gab ihr zu denken. Es fehlte noch, sich vor der Nacht zu fürchten wie einst als kleine Lamia vor dem Tageslicht.
    Eine Bewegung am Rand der Haselsträucher ließ sie aufmerken. War ihnen die Asrai gefolgt? Flugs wich sie seitlich aus, damit das Licht in ihrem Rücken sie nicht verraten konnte. Durch die biegsamen Zweige bahnte sich ein Wolf den Weg auf die Lichtung. Sein Kopf reichte ihr bis zur Hüfte, und sein Fell war noch dunkler als die Nacht. Während er sich schüttelte, setzte die Verwandlung ein. Obwohl Berenike nicht den Blick von ihm wandte, schien ihr etwas entgangen zu sein. Binnen eines Atemzugs wurde aus dem Wolf ein Mann. Sein Körper streckte sich. Regen traf auf nackte Haut und perlte hinab. Mit einer Hand streifte Juvenal sein Haar zurück. Anders als das schwarze Wolfsfell hob sich sein Leib hell aus der Nacht hervor. Ohne Eile kam er auf das Haus zu. Das Spiel seiner Muskeln dörrte ihren Mund aus. Er war atemberaubend. Wachsam. Kaltblütig. Geduldig. Als sein Gesicht sich dem Fenster zudrehte, hastete sie zum Kamin und setzte sich in einen Sessel. Hektisch stellte sie ihr Glas ab und kämmte ihr Haar nach vorn und gab vor, es vor dem Feuer zu trocknen, als wäre es noch immer feucht von dem Regen, durch den sie gerannt waren.
    Dielen knirschten vor dem Salon. Eine Treppenstufe gab ein lautes Knacken von sich. Juvenal ging nach oben, ohne einen Umweg über den Salon zu machen. Wahrscheinlich legte er keinen Wert auf ihre Gesellschaft. Nachdem er sie abgewiesen hatte, konnte sie Ähnliches von sich behaupten. Gleichwohl ging ihr Herzschlag viel zu schnell. Sie waren allein im Haus. Nur er und sie. Über ihrem Kopf hörte sie Schritte. Kurz darauf knackte die Treppe erneut. Mit betont gleichgültigem Gesichtsausdruck blieb sie dem Kaminfeuer zugewandt und gab vor, sein Eintreten zu überhören. Durch den Schleier ihres Haares beobachtete sie seinen Weg durch den Salon. An einem Beistelltisch schenkte er Wein ein.
    „Möchtest du auch noch etwas Wein?“
    Er klang müde. Melodys Ableben hatte ihn stark mitgenommen, schürte gar Schuldgefühle. Es war unnütz, weiterhin so zu tun, als wäre ihr seine Anwesenheit nicht bewusst. „Ja, bitte“, murmelte sie und strich ihr Haar zurück.
    Mit der Flasche in der Hand kam er zu ihr und füllte ihr Glas auf. Seine Hand war ruhig. Ein kleines Lächeln hob seine Mundwinkel, als er ihr den Wein reichte. Jede Berührung vermeidend nahm sie das Glas entgegen. Seine Gegenwart reichte aus, um die Atmosphäre zu verdichten. Das Kaminfeuer schien heller zu brennen, mehr Hitze zu verströmen und Funken zu erzeugen. Berenike nahm einen kleinen Schluck. „Wo ist Sancho?“
    Juvenal setzte sich ihr gegenüber und streckte die Beine dem Feuer zu. Weder trug er Schuhe noch Strümpfe. Seine langenZehen krümmten und streckten sich. „Wir haben einen jungen Hirsch erlegt, und Sancho schlägt sich den Bauch bis zum Anschlag voll. Er wird noch über Stunden damit beschäftigt sein, das Tier bis auf die Knochen abzunagen. Grishan ist fort?“
    Sie nickte. Außerstande, die Hände ruhig zu halten, kämmte sie mit den Fingern durch ihr Haar und glättete es. Von ihm beobachtet grübelte sie über weitere

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