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Der Funke des Chronos

Titel: Der Funke des Chronos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Finn
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mit einem Holzkreisel. Von Hannchen, der Haushälterin, war nichts zu sehen. Hastig sammelte Tobias einige Steine auf, steckte sie in die Jackentasche und spuckte in die Hände. Kurz darauf kraxelte er an dem Laternenpfahl in die Höhe. Der Pfahl neigte sich leicht zur Seite, doch davon abgesehen war der Aufstieg kein Problem.
    Er hatte Glück. Im Zimmer des ersten Stockwerks, gleich gegenüber der Laterne, sah er Caroline. Sie saß in einem weißen Nachtgewand vor einem Spiegel und kämmte sich das lange Haar. Auf dem Schminktisch stand ein Leuchter mit drei brennenden Kerzen.
    Tobias wollte schon einen Stein gegen die Scheibe werfen, hielt dann aber inne. Im Spiegel war ihr Gesicht zu erkennen. Es wirkte verweint. Ihr Anblick rührte ihn und machte ihn zugleich betroffen. Nosce teipsum!
    Bevor ihn sein Mut verließ, warf er den Kiesel doch gegen das Fenster.
    Caroline fuhr herum und starrte ängstlich nach draußen.
    »Caroline!« flüsterte er heiser. Und dann noch einmal: »Caroline!«
    Sie warf sich einen Morgenmantel über, trat an die Scheibe und spähte nach draußen. Ihre Augen weiteten sich vor Überraschung. Hastig öffnete sie die Fensterläden und starrte ihn an.
    »Tobias, bist du das?«
    »Ja«, stieß er zwischen zusammengepressten Zähnen hervor. Es war gar nicht so einfach, sich an dem Pfahl festzuklammern.
    »Was tust du da?« wollte sie wissen.
    »Ich wollte dich sehen«, flüsterte er. »Und dir sagen, wie leid es mir tut, dass ich ohne dich abgehauen bin. Aber es ging nicht anders. Man hätte mich verhaftet. Und dann wäre alles aus gewesen.«
    Sie nickte zitternd.
    »Der Tote, das war Kristian«, schluchzte sie.
    »Ja, ich weiß.« Tobias rutschte den Pfahl etwas nach unten. Lange konnte er sich hier oben nicht mehr halten. »Können wir uns nicht unten unterhalten?«
    »Wo lebst du jetzt?« fragte sie seltsam tonlos.
    »Ah, man kann nicht gerade sagen, dass ich einen festen Wohnsitz hätte«, antwortete er. »Kann ich dir das nicht unten erklären?«
    Allmählich schmerzten seine Arme.
    Caroline sah ihn an, als wäre sie soeben aus einem Traum erwacht. »Was meinst du?«
    »Unten«, wiederholte er. »Können wir uns nicht unten unterhalten?«
    »Ja, warte, ich komme hinunter.«
    Erleichtert rutschte er am Pfahl nach unten und knetete die schmerzenden Oberarme.
    Es dauerte eine Weile, dann öffnete sich die Haustür einen Spaltbreit. Caroline sah sich vorsichtig um und winkte ihn ins Haus. Tobias, der bereits am Ende der Straße einen Laternenanzünder nahen sah, folgte ihr rasch.
    Mit den Fingern auf den Lippen bedeutete ihm Caroline, ihr über die Treppe der Diele nach oben zu folgen.
    Als sie ihr Zimmer erreicht hatten, schloss sie vorsichtig die Tür.
    Ein leises Gurren war zu hören, und Tobias entdeckte einen Käfig mit einer Taube, der in der Zimmerecke neben Carolines Bett stand. »Für deinen Tierschutzverein?«
    »Nein, die Taube hat mir Doktor de Lagarde mitgebracht. Er war vorhin hier und hat mich untersucht. Er meinte, ein Tier wie dieses würde mich ablenken.« Unglücklich sah sie ihn an. »Tobias, mein ganzes Leben gerät in Unordnung, seit ich dich kenne. Du kannst dir nicht vorstellen, was seit gestern geschehen ist.«
    Tränen rannen ihr über die Wangen. Stockend berichtete sie. Es hatte einen Skandal gegeben, als Polizeiaktuar Kettenburg sie in den Morgenstunden nach Hause gebracht hatte. Caroline hatte zwar so getan, als könne sie sich nicht erinnern, wie sie in den Keller unter der Abdeckerei gelangt war, doch der Beamte hatte ihr nicht geglaubt. Er hatte sie einem scharfen Verhör unterzogen und alles über Tobias und einen Fremden in seiner Begleitung wissen wollen. Schließlich hatte sie ihm gestanden, was sie an dem Abend getan hatten. Danach hatte der Beamte das Zimmer durchsucht, in dem Tobias seine erste Nacht im alten Hamburg verbracht hatte.
    Als er dies hörte, fuhr ihm ein eisiger Schreck in die Glieder. Ihm kam ein fürchterlicher Verdacht. »Was hat er getan?«
    Sie hustete und fächerte sich Luft zu. »Er hat dein Zimmer durchsucht und alles mitgenommen, was er finden konnte.«
    »O Gott, und was war das?«
    »Nun, deine seltsame Kleidung«, antwortete sie, »und einen kristallenen Stab mit einer Elfenbeinkugel am Ende. Er lag unter deiner Matratze.«
    Tobias stöhnte auf und schlug die Hände über dem Kopf zusammen. Erst die Zeitmaschine und jetzt auch noch der Aktivierungshebel. Nun konnte er sich einsargen lassen.
    »Aber das war nichts im Vergleich zu

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