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Der Gärtner von Otschakow

Der Gärtner von Otschakow

Titel: Der Gärtner von Otschakow Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrej Kurkow
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noch nicht gesehen!«, erklang eine leise Männerstimme. »Ich muss die Miliz rufen… Dazu bin ich sowieso verpflichtet, von Gesetzes wegen…«
    »Mhm«, brummte die Stimme Stepans.
    »Er hat noch Glück gehabt! Sehen Sie! Wie ist er bloß am Leben geblieben?!«
    »Nehmen Sie ihn mit ins Krankenhaus?« Die Stimme seiner Mutter brach in das ruhige Gemurmel der beiden Männer ein. »Man muss ihn doch retten!!!«
    Igor wollte so gern aus der Dunkelheit auftauchen. Er fühlte, dass er es konnte. Denn er hörte doch alles hervorragend! Er schlug die Augen auf und wartete, bis das weiße Zittern über ihm zur Zimmerdecke mit dem grünen Leuchter wurde.
    »Lieber nicht«, seufzte Igor.
    »Was lieber nicht?«, fragte der Notarzt und sah ihm in die Augen.
    »Lieber nicht ins Krankenhaus!«
    »Ich habe auch gar nicht die Absicht!« Der Arzt, den Igor jetzt genauer ansehen konnte – klein, schmächtig, mit Schnurrbart unter der dünnen Nase –, zuckte die Achseln. »Dort gibt es sowieso keine freien Betten, und die Wunde [256] habe ich versorgt. Wenn die Temperatur über vierzig steigt, rufen Sie mich! Bis dahin wechseln wir den Verband, und das war’s.«
    »Wie, ›das war’s‹?« Elena Andrejewna klang immer drohender.
    Igor hob die Hand und wandte den Blick zu seiner Mutter. »Ich will nicht ins Krankenhaus«, sagte er.
    »Hören Sie, ich kann heute Abend wiederkommen und ihn frisch verbinden. Nachsehen, wie es steht. Kostet nicht viel.«
    Die Mutter schwieg. Ihr Gesicht zeigte alle widerstreitenden Zweifel.
    »Ich bezahle.« Igor nickte dem Arzt zu. Dann hob er den Blick zu Stepan, der links danebenstand.
    Der nickte mitfühlend. Der Arzt rollte auf dem Boden inzwischen das Tuch zusammen, auf dem seine Instrumente ausgebreitet gewesen waren. Die hatte er schon mit Spiritus abgerieben und in den Koffer zurückgelegt.
    »Das da nehme ich heute Abend mit.« Der Arzt drehte sich zu Igors Mutter um und lenkte ihren Blick auf die Emailleschale, in der die aus Igor herausgezogene Klinge lag, eine Messerklinge ohne Griff. »Das Messerchen wird die Miliz an sich nehmen!«
    »Vielleicht lieber keine Miliz?«, bat Igor.
    Der Arzt schüttelte den Kopf.
    »Ausgeschlossen!«, sagte er. »Ich bin dazu verpflichtet. Das ist wie der Hippokratische Eid! Bei Schuss-, Stich- oder anderen Wunden, die von erfolgter Gewalt oder einem Verbrechen zeugen, ist die Miliz zu benachrichtigen! Selbst wenn die Gewalt zu Hause und unter Verwandten stattfand!«
    [257] Der Arzt ging. Die Mutter rieb sich die Tränen aus den Augen.
    »Wer hat dich so zugerichtet?« Sie beugte sich über ihren Sohn.
    »Ich habe ihn nicht gesehen«, sagte Igor. Er blickte hinüber zum Hocker und fuhr zusammen: Die Milizuniform war nicht da.
    »Wo ist alles?«, fragte er seine Mutter.
    »Was?«
    »Die Uniform, der Gürtel…«
    »Ich habe die Sachen im Schrank versteckt.« Stepan trat einen Schritt vor und wies auf den Kleiderschrank. »Habe alles dort reingelegt…«
    »Danke«, seufzte Igor.
    »Elena Andrejewna, kann ich mit Igor mal unter vier Augen reden?«, bat Stepan.
    Igors Mutter nickte und verließ das Zimmer.
    »Wer war’s?«, fragte Stepan fast flüsternd, über Igor gebeugt. »Sag es mir! Wir überlegen zusammen, was zu tun ist!«
    Igor schüttelte den Kopf.
    »Das hier ist ernst!« Stepans Stimme war von väterlicher Sorge durchdrungen. »Ich weiß, da hat dich nicht irgendein Junge niedergestochen… Siehst du, die Klinge ist so geschliffen, dass sie im Körper bleibt, und den Griff hat er abgebrochen.«
    »Was?«, fragte Igor zurück.
    »Man hat auf dich so eingestochen, dass die Klinge zwischen den Rippen bleibt, damit sie schwer rauszuholen ist! Wer so zusticht, weiß, was er tut! Wenn er erfährt, dass du [258] am Leben bist, pflanzt er dir noch eine Klinge in die Rippen!«
    Auf der Straße hielt ein Motorrad. Stepan trat ans Fenster.
    »Miliz«, sagte er. »Ich gehe lieber…«
    Stepan sah in der Küche vorbei und benachrichtigte Elena Andrejewna, dass die Miliz im Anmarsch war. Da ertönte auch schon die Haustürklingel. Elena Andrejewna ließ den Milizionär herein und brachte ihn zu Igor. Stepan wartete, bis die Tür zu Igors Zimmer zugefallen war, und verließ das Haus.
    »So, so.« Der Milizionär nickte, während er die Klinge in dem emaillierten Schälchen betrachtete. Sein Blick verriet schon fast begeisterte Neugier. »Von solchen Messern habe ich nur in Büchern über Kriminalistik gelesen! Also, jetzt müssen wir ein ordnungsgemäßes

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