Der Garten der Dissidenten: Roman (German Edition)
Käsekuchen, Lakritze und Orange Crush, und alles vernichteten sie gemeinsam, während sie sich gleichzeitig über die Unzulänglichkeit im Vergleich zu den Speisen ihrer Erinnerungen und Ciceros mangelnde Sparsamkeit beklagte, seine alberne Unfähigkeit, ein Sonderangebot ausfindig zu machen. Angesichts der lausigen Qualität waren die Preise astronomisch, ein Verbrechen, dass er soviel dafür bezahlte!
Cicero erinnerte sich an ihre Freigebigkeit, als sie in seiner Kindheit darauf bestanden hatte, dass er drei, vier Stücke Pizza aß, und dann hatte sie einen Zehndollarschein auf den Tresen geknallt und ihn mit dem in seiner Hosentasche klimpernden Wechselgeld zu Diane nach Hause geschickt. Erst jetzt merkte er, was für eine Schnäppchenjägerin sie geworden war, wie mühsam sie sich durchschlug, seit sie nicht mehr in der Pickles-Fabrik arbeitete. In der neuen Welt geschrumpfter Schlachtlinien war Ciceros angebliche Verschwendungssucht ein Feind vor ihren Toren. Wie alle Feinde musste er durch Beschämung unterworfen werden. In Ordnung. Cicero genoss es, in ihren Augen als verschwendungssüchtig zu gelten, auch wenn er unter Luxus anderes verstand als eine annehmbare Roggenpastrami für 3,99 Dollar.
Paranoia, Sparsamkeit, Denunziation – mit dem Verblassen ihrer Erinnerungen traten diese Eigenschaften in den Vordergrund. Schließlich hatte sie ihr ganzes Arbeitsleben über Real’s doppelter Buchführung verbracht; vielleicht blieb am Ende nicht der Kommunismus übrig, sondern das interne Rechnungswesen. Eines Tages war sie aufhundertachtzig, als er kam, und behauptete, das Personal hätte ihr ein Paar Hausschuhe gestohlen, das er ihr beim letzten Besuch mitgebracht hatte. Sie brauchte sie, hatte sie getragen, als sie erste Erkundungsvorstöße Richtung Aufenthaltsraum unternahm. Er hatte den Fehler gemacht, ihr ein recht hübsches Paar zu kaufen.
Cicero sah nach. Die Hausschuhe standen unter ihrem Bett. Er hielt sie ihr hin.
»Nein, nein, nein, hör doch mal zu, sie haben sie weggenommen.« In ihrer Stimme lag echtes Entsetzen. »Kaum dass ich mich umgedreht hatte. Alles reißen die sich unter den Nagel, ich trau mich kaum noch einzuschlafen.«
»Das hier sind die Hausschuhe, die ich dir mitgebracht habe.«
Sie würdigte sie kaum eines Blickes, ließ sich keine Sekunde aus dem Konzept bringen. »Sie sehen ihnen ähnlich, ja. Sie haben die von dir durch diese Fälschungen ersetzt und geglaubt, ich würde den Unterschied nicht merken.«
»Das ist ganz schön … ausgeklügelt.«
»Sie haben sie nachts ausgetauscht. Die hier haben sie wahrscheinlich in so einem Neunundneunzig-Cents-Laden gefunden. Wo gehen die sonst schon einkaufen?«
»Für mich sehen die Hausschuhe absolut gleich aus.«
Sie zog eine Augenbraue hoch, als hätte sie eine Falle zuschnappen lassen. »Das sind die gleichen , nur aus billigerem Material.«
»Hast du sie getragen?«
»Was soll ich denn sonst machen?«
»Na, dann ist doch gut. Du bist von Feinden umgeben, aber du hast Hausschuhe.«
Sie atmete schwer durch die Nase, beurteilte seine Defizite mit derselben Intoleranz wie damals, als er sich mit seinen zehn Jahren geweigert hatte, ihr bei einem besonders widerspenstigen Quadranten des Kreuzworträtsels in der New York Times zu helfen. »Ja, denk mal an. Du bist wieder geschröpft worden.«
»Wieso geschröpft?«
»Wenn diese Schmocks passende Hausschuhe finden konnten, die dem von dir gekauften Paar vollkommen gleichen – kannst du mir dann einen einzigen Grund nennen, warum du überhaupt erst so teure gekauft hast? «
Auf diesen Golem einer Rüge war das alles vielleicht von Anfang an hinausgelaufen – wer wusste das schon? Rose bestimmt nicht! –, aber es hatte den Strom der Verschwörung gebraucht, um auf die Beine zu kommen.
—
Der eigentliche Golem aber war Rose, zusammengesetzt aus Teilen ihres alten Ichs. Dieser Tage war sie wieder auf den Beinen, von Cicero mit Hausschuhen versorgt, und es war auch Cicero, der sie zum Essen anspornte, zum Denken, Erinnern und Kräftesammeln. In einem typischen Wer-Wind-sät-Fall musste sich Cicero jetzt dafür verantwortlich fühlen, dass sich Rose zunehmend zur Nemesis des Pflegeheims entwickelte. Er hatte es ja sogar geschafft, sie zu mästen (und sich selbst auch), was die Damen aus Jamaika verblüffte. Faustdicke Pastrami mit Meerrettich, Malzkakao in Styroporbechern, Servierschalen mit Auberginen und Parmesankäse – durch das Verbrennen dieser Kalorienzufuhr
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