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Der Gastprofessor

Der Gastprofessor

Titel: Der Gastprofessor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Littell
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»Ich arbeite für ADVA, das ist eine Unterabteilung von PROD, einer Abteilung von NSA.«
    »Hey, Sie haben ein gutes Auge für Abkürzungen«, sagt Lemuel.
    Norman läßt sich auf den Fahrersitz gleiten, dreht den Zündschlüssel, schaltet die Scheinwerfer und das Blinklicht an, schnippt mit dem Nagel seines Mittelfingers gegen den am Armaturenbrett befestigten Kompaß und fährt die Auffahrt hinunter. »Der Sheriff hat sich gedacht, Sie würden auf der Fahrt gern diskret ein paar Worte mit diesen beiden Gents hier wechseln«, sagt er über die Schulter.
    »Ich will Sie mal ganz rasch ins Bild setzen«, sagt Doolittle zu Lemuel. »NSA ist die Abkürzung für die United States National Security Agency, die sich mit Kryptoanalyse und Verkehrsauswertung befaßt. PROD ist das Kürzel für das Office of Production, das Abhörmaßnahmen durchführt. Und ADVA, dessen Leiter ich bin, ist so geheim, daß ich Ihnen nicht sagen darf, was die Abkürzung bedeutet. Unsere Aufgabe ist es, die von PROD abgehörten Mitteilungen zu analysieren und Codes in russischer Sprache zu knacken.«
    Mitchell dreht sich erneut um, obwohl ihm das sichtlich schwerfällt. »Ich habe am College in Mathe bloß ein C minus geschafft«, sagt er zu Lemuel. »Das, womit Sie sich Ihre Brötchen verdienen, ist für mich ein Buch mit sieben Siegeln. Aber Doolittle meint, Sie können es besser als sonst wer auf der Welt. Was wir möchten, worüber wir uns so richtig freuen würden, wäre, daß Sie aus der Kälte kommen und es zur Abwechslung mal für die Guten machen.«
    »Komisch, daß Sie von den Guten reden«, sagt Lemuel. »Mein ganzes Leben wollte ich schon wissen, wer die eigentlich sind. Also – wer sind die Guten?«
    Mitchell sieht nicht so aus, als wüßte er Lemuels Humor zu schätzen. »Wir sind die Guten, Sportsfreund«, sagt er mit einem verkniffenen Lächeln. »Die Bösen spielen nicht mehr mit. Wir haben die Russin mit dem verwaschenen Büstenhalter abgeschoben, wir haben den Orientalen abgeschoben, der den Leuten einen Knopf an die Backe labert, wir haben den syrischen Austauschstudenten abgeschoben, der Sie zum Umzug in eine moskitoverseuchte Metropole am Euphrat überreden wollte, und wir haben die zwei Spaghettis aus Reno eingelocht, weil sie mit sechzig Meilen gefahren sind, wo nur fünfundfünfzig erlaubt sind, und sich der Festnahme widersetzten, als wir ihnen ihre Verfehlung vorhielten. Von denen allen werden Sie so bald nichts mehr hören.«
    »Auch wenn’s wahrscheinlich keinen interessiert«, ruft Norman nach hinten, »das gerade Stück der Interstate gleich nach der nächsten Kurve zeigt pfeilgerade auf Jerusalem.« Er klopft mit dem Fingernagel an den Kompaß. »Sechs Grad südlich von Osten. Der Sheriff und ich, wir haben das auf einer Mercator-Karte in unserm Büroatlas ausgemessen, für den Fall, daß der Rebbe sich noch mal verhaften läßt.«
    Doolittle und Mitchell sehen sich verständnislos an. Doolittle wendet sich wieder Lemuel zu. »Der ganze Ausländerrummel in Backwater hat im Büro des FBI in Rochester, das Mr. Mitchell leitet, ein Beben der Stärke sieben auf der Richter-Skala ausgelöst«, erläutert er. »So haben wir erfahren, daß Sie im Lande sind.«
    »Wir wissen, wer Sie sind, Sportsfreund«, sagt Mitchell.
    »Da wissen Sie mehr als ich«, murmelt Lemuel vor sich hin.
    »Von einem MIT-Absolventen, der in Nahost eine nicht unbedeutende Stellung bekleidet, wissen wir genau, was Sie machen.« Er zieht ein Karteikärtchen aus der Brusttasche seines Tweedsakkos und liest ab: »Falk, Lemuel, sechsundvierzig, Mitglied der Sowjetischen Akademie der Wissenschaften, geschieden, jüdischer Abstammung, Atheist.«
    »Hey, ich bin kein Atheist mehr. Bei meinen Chaosforschungen habe ich Spuren von Zufälligkeit gefunden, bei denen es sich um Fußabdrücke Gottes handeln könnte Doolittle schaut auf, nickt einmal und liest weiter vor: »Geschieden, jüdischer Abstammung, den Atheisten lassen wir also weg, der ändert ohnehin nichts, so oder so rum. Ordentlicher Professor für reine Zufälligkeit und Chaostheorie am W.-A.-Steklow-Institut für Mathematik in Leningrad.«
    »Es gibt kein Leningrad mehr«, murmelt Lemuel, aber Doolittle tut, als hätte er nichts gehört, und schraubt nur seine Lautstärke um eine Windung höher.
    »Falk«, liest er weiter, »hat offenbar ein Computerprogramm entwickelt, das mit fast vollkommener Zufälligkeit in die drei

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