Der Gaukler: Historischer Roman (German Edition)
ihren Arm, beugte sich nahe zu ihr. »Erinnere dich, Kristina, ich bitte dich.«
»Am Tag, als die Papisten die Stadt stürmten, am ersten Tag der Plünderung.« Sie spuckte neben sich ins Gras. »So einen Tag vergisst man sein Leben lang nicht. Ich hörte die Männer streiten, denen Susanna in die Hände fiel. Mich hätten sie auch beinahe erwischt, konnte gerade noch die Treppe hinauf und in den Speicher huschen. Dann fiel ein Schuss unten im Haus, und dann kam einer mit einem Bären, ein junger Bursche …«
»Mit einem Bären?«, staunte Hannes.
»Ein Gaukler mit einem Bären, ja. Ich hab die Bestie brüllen hören. Ich glaube, sie hat fast alle Landsknechte getötet. Einen trug man später aus dem Haus. Ein Bär und ein Gaukler, ganz bestimmt, es waren ja Gaukler mit einem Tanzbären in der Stadt.« Sie blickte hinter sich, wollte ins Lager. »Lass mich, ich muss gehen.«
»Und Susanna?« Hannes hielt sie fest.
»Die Kerle haben …« Sie schluckte. »Sie haben ihr Gewalt angetan, ich bin fast sicher. Doch irgendwann gab keiner mehr einen Mucks von sich, und dann sah ich durchs Dachfenster, wie der Bursche die Susanna über den Hof in einen leeren Hühnerstall führte. Auch seinen Bären, Kleider und Waffen brachte er in den Stall. Ich glaube, dort wachte er bei ihr und wartete das Ende derPlünderung ab.« Kristina machte sich los, huschte Richtung Lager in die Dunkelheit. »Lebt wohl!«
»Wie sah er aus?«, rief Hannes hinter der mit der Nacht verschwimmenden Gestalt her.
»Schlank, nicht sehr groß, schwarze Locken«, kam es aus der Dunkelheit. »Du musst nach einem Gaukler fragen!«
*
Maximilian von Herzenburg wich dem wuchtig geführten Hieb seines Cornets aus. Der Stahl fuhr ins Gemäuer, schlug Funken. Mathis setzte sofort nach, doch inzwischen hielt auch der Rittmeister seinen Degen in der Faust und wehrte den Angriff ab. Wie aus weiter Ferne hörte er die Männer unten auf der Straße palavern und rufen; Maximilian verstand nicht, was sie sagten.
Mathis wankte beträchtlich, als er wiederum losstürmte. Obwohl auch um ihn sich alles drehte, konnte Maximilian parieren und sogar einen Stoß setzen – er traf seinen Cornet am rechten Oberarm. Mathis schrie auf und ließ seine Seitenwehr fallen.
Schwere Schritte knallten übers Holz. »Um Himmels willen, Ihr Herren!« Längst waren einige Offiziere zum Wehrgang hinaufgeklettert. Die Heiligen und den Herrgott im Himmel anrufend, stürmten sie am Geländer entlang, drängten sich zwischen Maximilian und seinen Cornet. Der lehnte wankend und schwer atmend gegen die Brüstung, hielt sich seinen Oberarm und musterte seinen Rittmeister mit flammendem Blick.
Maximilian von Herzenburg holte aus, um ihm die flache Klinge gegen den Schädel zu hämmern. Zwei Männer bauten sich vor ihm auf, einer wandte ihm die leeren Handflächen zu, der andere hob den Lauf seiner Radschlosspistole. Deren Reibrad war gespannt, also musste der Rittmeister davon ausgehen, dass sie geladen war. Diese Einsicht kühlte ihm das Blut, und er ließ den Degen sinken.
Ein Landsknecht riss Mathis den Koller vom Leib, schnitt ihm das Hemd mit einem Messer auf, um die Wunde zu untersuchen, »Verbandszeug!«, rief er. »Schnell! Und dann zum Feldscher mit dem Fähnrich!«
Ein anderer hob Mathis’ Degen auf. Ein Hauptmann einer Musketierkompanie, Maximilian kannte ihn flüchtig. Er trat zwischen Maximilian und die beiden Soldaten. »Beinahe hättet Ihr Euern Cornet erstochen, Rittmeister.«
»Er hat zuerst gezogen«, keuchte von Herzenburg. Der Atem flog ihm.
»Stimmt, er zog zuerst.« Der Hauptmann nickte. »Aber zuvor habt Ihr ihn geschlagen. Ziemlich kräftig habt Ihr zugehauen, möchte ich meinen.«
Unten auf der Straße gab es einen Tumult. Stimmen erhoben sich, nachdem es für längere Zeit still geworden war. Maximilian hörte jemanden seinen Namen rufen. Er wandte sich von dem Hauptmann ab, beugte sich über die Brüstung, sah hinunter.
»Euer Feldwebel, Rittmeister!« Unten bei Conrad und Simon stieg ein Bote aus dem Hauptlager vom Pferd. »Der Schneeberger!«, schrie er zum Wehrgang herauf. »Man hat ihn in seinem Zelt ermordet!«
Maximilian stand wie festgewachsen und verstand nicht wirklich; die Männer unten verschwammen ihm vor den Augen. Plötzlich sah er vier Trabanten und zwei Boten mit zwei Pferden. »Schneeberger?« Er blinzelte hinunter, bis er wieder einen Boten und zwei Trabanten sah. »Der Feldwebel ist tot?«
»Ermordet, in seinem Zelt! Jawohl!«
An
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