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Der Gaukler: Historischer Roman (German Edition)

Der Gaukler: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Der Gaukler: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Ziebula
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preschten sie je einem Offizier hinterher in die Höfe und sprangen dort aus den Sätteln. Gänse begannen zu schreien, Hühner flohen gackernd und flügelschlagend in die Gärten, Hunde schlugen an, und wo sie nicht angekettet waren, fielen Schüsse und ihr Gekläffe verstummte jäh. Ohne anzuklopfen, traten die Soldaten in die Häuser, manche stürmten mit blankgezogenen Degen hinein.
    Einzig der Befehlshaber der kursächsischen Kompanie, der Rittmeister, schien es nicht eilig zu haben, in eines der Häuser zu gelangen. Begleitet von seinem Cornet und gefolgt von seinen beiden Burschen, lenkte er seinen Schimmel auf die Kirchenseite des Fahrweges. In dem Haus dort drüben, hinter der Buchenhecke und vor Gotteshaus und Friedhof, wohne der lutherische Pfarrherr, hatte man ihm gesagt.
    Merkwürdig entspannt wirkte der Reiter – anders als seine entfesselten Soldaten ringsum in den Häusern und Höfen, anders auch als der hochgewachsene Cornet an seiner Seite, der unter seiner blau-weißen Fahne ständig nach links und rechts in die Anwesen und Gärten spähte.
    Dem Rittmeister entging das nicht. »Geduld, Mathes, Geduld«,sagte er. »Du kommst schon noch zu deinem Anteil. Und auch zu deinem Vergnügen.«
    Sie hielten auf die Buchenhecke zu, rot und gelb leuchtete ihr Laub in der Mittagssonne. Über die Heckenkrone hinweg lugten mannshohe Sonnenblumen den Reitern entgegen. Dahinter lagen Gemüsebeete und ein weitläufiger Blumengarten, dazwischen führte ein Weg zu einem Haus, dessen Ziegel und Putz noch frisch und dessen Balkenwerk noch hell und glatt aussahen.
    Das Prasseln von Flammen mischte sich in den allgegenwärtigen Hufschlag. Auf den benachbarten Höfen fluchten Landsknechte, Frauen riefen nach ihren Männern und Vätern. Aus dem offenen Kirchenportal flehte eine Stimme die Hilfe des Allmächtigen herbei. Und irgendwo hinter der Buchenhecke hörte man singende Kinderstimmen. Es roch nach Brand und Schweinemist.
    Der Rittmeister lenkte seinen Schimmel an der Buchenhecke entlang. Er und seine Kompanie gehörten zu den Arkebusieren oder Bandelierreitern, wie man die leichten Kavalleristen des kaiserlichen Heers damals nannte – nach dem Lederband um ihre Schulter nämlich und der etwa drei Fuß langen Schusswaffe, die sie daran trugen: einem Radschlosskarabiner, nach französischer Mode auch als Arkebuse bezeichnet. Den Karabiner des Rittmeisters allerdings trug einer seiner beiden Burschen. Die, ebenfalls zu Pferd, folgten ihm bis zum offenen Gartentor.
    Dort hielt der Reiteroffizier seinen Schimmel an, warf einen Blick auf den sorgfältig gejäteten Weg, auf den Gemüsegarten links davon und auf das Fenster neben der Haustür, hinter dem er die Kinder singen hörte. Er lauschte – eine Stimme wie die einer alten Frau stach aus dem seltsamen Chor heraus. Und eine klare Mädchenstimme.
    Vom Fenster weg wanderte sein Blick über den großen Blumengarten auf der rechten Wegseite. Aufmerksam betrachtete er die bunte Blütenpracht. Ein Hund bellte hinter dem Haus.
    Der Wind trieb den Funkenflug schon bis hierher in den Pfarrgarten, und Ascheflocken schwebten in das Blütenmeer aus violetten Astern, orangefarbenen Ringelblumen, blauen Löwenmäulchen und blutroter Dahlien. In der Kirche hinter dem Anwesen übertönten jetzt raue Männerstimmen das laute Gebet. Lärm wie von Schlägen wurde laut, Frauen und Kinder heulten auf.
    Aus den Stallungen des Nachbarhofes loderten Flammen. Ein halbes Dutzend Häuser brannte bereits. Schweine galoppierten quiekend aus einem Hof am anderen Ende des Fahrwegs, Männer des Rittmeisters verfolgten sie mit gezückten Säbeln. Ein dickleibiger Feldwebel zielte mit seinem Panzerstecher nach einer Sau, die sich schützend vor ihre Ferkel stellte. Auf den Höfen schleppten Soldaten Frauen und Mädchen in verborgene Winkel, und in den Häusern quetschten sie den Männern Daumen und Schädel, damit die verrieten, wo sie ihre Dukaten, ihren Schmuck und ihr Weißzeug versteckt hielten.
    Fern im Osten – in der Oberpfalz und dem angrenzenden Böhmen – hatte der Krieg zu dieser Zeit schon Tausende gefressen und mit ihnen die Königsträume des jungen Kurfürsten. In der linksrheinischen Kurpfalz wütete der Krieg seit dem Sommer. Jetzt war er auch an die Bergstraße gekommen.
    Und der Krieg hatte Gesichter.
    Das breite, großporige des stämmigen Feldwebels etwa, eines Bayern, der jetzt ein Dutzend Pferdelängen weiter mit seinem Panzerstecher auf die zuckende Muttersau einhieb. Oder das

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