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Der geduldige Tod (German Edition)

Der geduldige Tod (German Edition)

Titel: Der geduldige Tod (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helke Böttger
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hier bist«, flüsterte er ihr zu.
    »Ich auch.«
    »Ich beschütze dich.«
    Sie lächelte in die Dunkelheit. »Ich denke, hier gibt es außer uns niemanden.«
    »Dann beschütze ich dich vor Niemandem.«
    Sie nahm seine Hand und zog sie sanft an ihre Lippen, um einen Kuss darauf zu drücken. »Danke.«
    »Gibt es in Deutschland einen Mann, der auf dich wartet?«
    »Nein. Nicht mehr. Ich war acht Jahre verheiratet, aber nach der Katastrophe ist unsere Ehe zerbrochen.« Sie ärgerte sich, dass sie den versuchten Mord an ihr jetzt selbst als »Katastrophe« bezeichnete. Sie wollte nicht so klingen wie ihre Eltern. »Ich habe es nicht ertragen, wie er mich behandelt hat. Wie ein rohes Ei. Und er wollte mir sein Leben aufzwingen. Ich war damals völlig abhängig von ihm, weil ich das Haus nicht mehr alleine verlassen konnte, ohne Panikanfälle zu bekommen, da ich ständig an den Mörder und an das, was mir passiert war, denken musste. Er brachte mich jedoch nur zu den Orten, von denen er meinte, dass sie gut für mich seien. Und er wollte, dass ich nicht mehr arbeite, sondern nur noch zu Hause blieb. Obwohl sich das Thema dann ohnehin von alleine erledigte, weil die Reha nicht das erhoffte Ergebnis brachte. Weil ich kaum noch das Haus verließ, bin ich fast verrückt geworden. Er erdrückte mich mit seiner Fürsorge. Wir haben uns nur noch gestritten. Er hat mich angeschrien, ich habe geweint oder geschwiegen. Da war das Ende nicht mehr weit.«
    »Was hast du gearbeitet?«
    »Ich bin Floristin. Ich habe in einer Gärtnerei Blumengestecke zusammengestellt. Das hat Spaß gemacht.«
    »Aha! Deshalb wusstest du das mit dem seltenen Hibiskus.«
    »Genau. Und ich merke, wie mir mein Job fehlt, wenn ich die Blumen hier sehe. Es ist alles viel bunter und leuchtender. Ich würde gern wieder anfangen zu arbeiten, aber wegen der Hände ist es schwierig. Ich bin Frührentnerin. Kannst du dir das vorstellen? Mit 34.«
    »Du bist 34?«
    »Ja. Und du?«
    »29.«
    »Wie kommt es, dass du so gut deutsch sprichst?«
    »Weil ich nach der Schule ein Jahr in Deutschland war, bevor ich wusste, was ich mit meinem Leben anstellen will. Der Bruder meiner Mutter lebt in Hamburg, ich wohnte bei ihm und kam bei einem Ausflug auf der Alster auf die Idee mit dem Bootsbau. Es war eine schöne Zeit, obwohl ich meine Familie vermisst habe.«
    Sie legte ihre Hand auf seinen Arm. »Hast du wegen des Unglücks mit deiner Familie mit dem Bauen von Booten aufgehört?«
    »Ja. Zuerst hatte ich keine Zeit mehr, weil ich mich um das Haus und das Grundstück kümmern musste, und dann fehlte mir die Lust. Oder umgedreht. Oder beides zur gleichen Zeit. Ich verspüre immer noch nicht das Verlangen, wieder damit anzufangen. Meine Eltern waren so stolz auf das Boot und mich. Ich müsste immer daran denken, dass sie das nächste nie zu sehen bekommen. Obwohl ein schickes Boot mit dem Namen Victoria zu bauen sicherlich Spaß machen würde.«
    Sie kicherte leise. »Das wäre dann mein Boot?«
    »Ja, es wäre ganz allein für dich. Vielleicht fange ich es doch irgendwann an.«
    Sie strich über die feinen Haare auf seinem Arm. »Und ich fange vielleicht wieder an zu singen. Irgendwann.«
    »Du singst?«
    »Nur ein bisschen. Ich war Mitglied im Chor, und als ich nach der Chorprobe nach Hause fahren wollte, hat er...« Sie brach ab. Doch er wusste, was sie sagen wollte.
    »Wie alt war er?«
    »Um die fünfzig.«
    »Was war er für ein Kerl?«
    »Außer, dass er verrückt war?«
    »Ich meine, war er verheiratet, welchen Beruf hat er ausgeübt? Kannst du darüber reden?«
    »Ja, ich kann dir erzählen, was in der Gerichtsverhandlung gesagt wurde. Darüber kann ich sprechen, weil sein Lebenslauf mich nicht wirklich berührt. Über diesen Abend und alles, was passiert ist, zu reden, wäre sehr viel schwieriger. Er war geschieden, dreimal. Keine Frau hat es lange bei ihm ausgehalten, weil er sie immer anders haben wollte, als sie war. Er hat als Anstreicher und Hausmeister gearbeitet, war aber von Beruf Tierpfleger. Doch er war nicht gut zu den Tieren und hat seinen Job regelmäßig verloren.«
    Francisco strich über ihre Wange und küsste ihren Mund. Sie ließ es geschehen. In diesem Moment fühlte sie sich so normal, als wäre ihr nie etwas passiert. Sie war einfach eine Frau, die das Flattern von Schmetterlingen in ihrem Bauch spürte, wenn der Mann neben ihr sie berührte und küsste. Es war wunderschön.
    »Vielleicht war es Gottes Plan, uns zusammenzuführen«, sagte er

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