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Der Gefangene

Titel: Der Gefangene Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Grisham
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strengen Sicherheitsvorkehrungen untergebracht. Die Fenster waren vergittert, und überall sah man auf Stacheldraht. Die Zimmer waren klein, alt und nicht gerade einladend. Außerdem war die geschlossene Abteilung völlig überfüllt. Ron hatte Glück, dass er überhaupt ein Zimmer bekam. Andere schliefen in Betten auf den Gängen. Er wurde sofort von Dr. Curtis Grundy untersucht und für schuldunfähig befunden. Ron verstand zwar, was ihm zur Last gelegt wurde, aber er konnte seine Anwälte nicht unterstützen. Dr. Grundy schrieb an Richter Landrith und informierte ihn, mit der richtigen Behandlung könne Ron vielleicht verhandlungsfähig werden. Zwei Monate später erstellte Dr. Grundy ein neues Gutachten. In einem detaillierten vierseitigen Bericht an Richter Landrith kam er zu dem Schluss, dass Ron erstens verstehe, was ihm zur Last gelegt werde, zweitens in der Lage sei, sich mit seinem Anwalt zu besprechen und diesen in vernünftiger Weise bei der Vorbereitung seiner Verteidigung zu unterstützen, und drittens geisteskrank sei und eine weitere Behandlung benötige (»während der Verhandlung ist eine weitere psychiatrische Behandlung erforderlich, um die fortgesetzte Verhandlungsfähigkeit zu gewährleisten«).
    Weiterhin kam Dr. Grundy zu dem Schluss, dass Ron harmlos war. »Bei Mr Williamson scheint auch bei einer Entlassung ohne weitere stationäre Behandlung keine Eigenoder Fremdgefährdung vorzuliegen. Gegenwärtig bestreitet er, Selbstmord- oder Mordgedanken zu hegen. Er hat während seines Krankenhausaufenthalts keinerlei aggressives Verhalten gegen sich selbst oder andere gezeigt. Die gegenwärtige Bewertung seiner Gefährlichkeit bezieht sich auf seine Unterbringung in einer strukturierten, sicheren Umgebung und gilt möglicherweise nicht in einem unstrukturierten Umfeld.«
    Richter Landrith setzte die Anhörung zur Beurteilung der Schuldfähigkeit auf den 10. Dezember an, und Ron wurde wieder nach Ada verlegt. Nachdem er seinen alten Freund John Christian begrüßt hatte, bezog er seine alte Zelle im Gefängnis von Pontotoc County. Annette besuchte ihn kurz darauf und brachte ihm etwas zu essen. Er zeigte sich optimistisch, voller Hoffnung und freute sich, »wieder zu Hause zu sein«. Er war aufgeregt, weil er die Chance bekommen sollte, in einem neuen Verfahren seine Unschuld zu beweisen. Ständig faselte er von Ricky Joe Simmons und konnte nicht damit aufhören, obwohl Annette ihn wiederholt bat, das Thema zu wechseln. Am Tag vor der Anhörung verbrachte er vier Stunden mit Dr. Sally Church, einer von Mark Barrett engagierten Psychologin, die zu seiner Schuldfähigkeit aussagen sollte. Dr. Church war ihm bereits zweimal begegnet. Nachdem sie seine umfangreiche Krankengeschichte studiert hatte, hegte sie wenig Zweifel daran, dass er nicht verhandlungsfähig war.
    Ron war jedoch fest entschlossen, das Gegenteil zu beweisen. Neun Jahre lang hatte er davon geträumt, Bill Peterson, Dennis Smith, Gary Rogers und all den Lügnern und Denunzianten ins Gesicht sehen zu können. Er hatte niemanden getötet, und das wollte er endlich beweisen. Obwohl er Mark Barrett mochte, ärgerte er sich darüber, dass sein eigener Anwalt ihn für verrückt erklären lassen wollte.
    Ron wollte einen Prozess.
    Richter Landrith setzte die Anhörung in einem kleineren Gerichtssaal an, der aber am selben Gang lag wie der große Saal, in dem Ron verurteilt worden war. Am Morgen des 10. Dezember waren alle Plätze besetzt. Annette saß im Saal. Verschiedene Reporter waren gekommen. Janet Chesley und Kim Marks waren als Zeuginnen geladen. Barney Ward tauchte nicht auf.
    Als Ron beim letzten Mal in Handschellen die wenigen Schritte vom Gefängnis zum Gericht geführt worden war, war er zum Tode verurteilt worden. Damals war er fünfunddreißig gewesen, ein immer noch junger Mann mit dunklem Haar, kräftigem Körperbau und einem ordentlichen Anzug. Als er neun Jahre später denselben Weg zurücklegte, war er ein weißhaariger alter Mann in Gefängniskleidung, der aussah wie ein Geist und sich kaum auf den Beinen halten konnte. Tom Landrith war entsetzt über sein Äußeres, als er in den Saal kam. Ron dagegen freute sich, »Tommy« in dessen schwarzer Robe auf dem Richterstuhl zu sehen.
    Als Ron ihm lächelnd zunickte, fiel dem Richter auf, dass ihm die meisten Zähne fehlten. Sein Haar war von gelben Strähnen durchzogen, die von dem Nikotin an seinen Händen stammten.
    Die Staatsanwaltschaft, die Rons Schuldunfähigkeit

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