Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der geheime Basar

Der geheime Basar

Titel: Der geheime Basar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ron Leshem
Vom Netzwerk:
war, und machte weiter mit seiner Tirade. «Der Tag wird kommen, an dem die Studentenbewegungen zum Leben auferstehen werden. Die Revolutionswächter werden auf sie schießen, doch sie werden kämpfen, mit bloßen Händen. Und dann wird die Armee in die Städte einmarschieren und auf die Revolutionsgarden schießen. Der Tag wird kommen, an dem wir alle überraschen werden. Der schwarze Vorhang wird sich heben. Aber nicht jetzt, noch nicht, der Gestank der Gräber ist noch zu frisch, mach deine Nase auf.»
    Ich entfernte mich.
    «Hab kein Mitleid mit dem Staat», schrie er mir nach, «hab Mitleid mit dir selber. Auch deine Demokratien werden zusammenbrechen, alles wird einstürzen, die tiefste Finsternis der Weltgeschichte liegt noch vor uns, die Welt ist immer in Bewegung, erfinde was Neues.» Und ich dachte bei mir, wie verrückt kann ein einziger unglücklicher Mensch sein. Mein Zorn verrauchte. Ich kehrte in die Wohnung zurück und dachte, alles löst sich immer mehr auf.
     
    Am nächsten Morgen klopfte ein freundlicher Polizist an Zahras Tür, um Beweise aufzunehmen, er verlangte nach dem Hausbesitzer. «Das bin ich», erwiderte sie unwillig, denn wieder hatte sie, zweifelsohne, einen jungen Mann vor sich, der den Star nicht erkannte. Er komme in der Sache des Vermissten, erklärte er, er habe eine kleine Bitte; ob sie so gut sein könne, ihm die Tür von diesem Tiban aufzusperren, damit er sie nicht etwa aufbrechen müsse.
    Wir gingen hinunter zu dem Apartment, wir hatten kaum eine andere Wahl. Der junge Mann in der dunklen Uniform ging hinein und hinaus, hängte sämtliche Fotografien von der Wand, nahm Bücher und Hefte, einen Terminkalender und sogar einen Waschbeutel mit. «Was sollen das für Beweise sein?», schnaubte Zahra aufgebracht. Ich dachte im Stillen, wenigstens verlangt man nicht von uns, beim Schleppen der Kisten zum Streifenwagen zu assistieren. Der Polizist schlug ein Fotoalbum auf, blätterte gemütlich darin und sagte: «Wie merkwürdig, schauen Sie mal, wie schwul der Vermisste mit fünf, sechs, sieben und mit zwölf aussieht. Kokett, lächelt wie eine Frau, und dann plötzlich kommt man zur Mitte des Albums und bumm! Ab da ist er plötzlich verändert. Ein Hochstapler.» Er klemmte sich das Album unter den Arm, griff nach der letzten Kiste. Bevor er jedoch abzog, entfernte er noch schnell das fröhliche Holztäfelchen mit der Aufschrift «Familie Tiban» von der Tür und versiegelte es ebenfalls in einer Beweistüte.
    «Was für ein Beweis ist denn das Schild?», fragte ich verwundert.
    «Hier wohnt überhaupt keine Familie», murmelte der Polizist, halb belustigt, halb sympathisierend mit dem Bedauernswerten. Und vergeblich versuchte er mit der Handfläche den dünnen Staubabdruck über dem dunklen Spion wegzuwischen, an der Stelle, wo nun das Schild verschwunden war. Dann bedankte er sich höflich und ging.
    Ich beschloss, in der kleinen Wohnung zu bleiben. Ich schleppte Chamad mit, Muhammads rote Gesetzesmappe sowie geschmuggelte Bierflaschen und einen Kassettenrekorder mit guter Musik. Ich wanderte in dem kleinen Raum umher, berührte alles, was man berühren konnte, strich über Hemden, schnüffelte an Parfüm, legte mich auf die Laken, wälzte mich mit dem Kater in dem kleinen Bett. Im Bad fand ich einen Schrank, aus dem ich Schaufel und Besen nahm, kehrte Staub vom Fußboden auf, holte einen Eimer und einen Putzlumpen und schüttete einen Strom lauwarmen Wassers im Raum aus, produzierte Bäche und Pfützen. Es tat mir gut. Ich stellte Stühle hinauf, rollte kleine Läufer zusammen, polierte Spiegel. Ich onanierte auf dem Sofa. Mit einem Mal überfielen mich abergläubische Vorstellungen, und ich räumte alles wieder an seinen Platz, dachte, ich drehe durch, ich muss mich beruhigen. Ich rief Nilu an. Sie antwortete nicht. Ich rief noch einmal an. Keine Antwort. Viermal hintereinander rief ich an, machte mir Sorgen, doch die Sorgen waren zu einer Routine geworden, gegen die nichts zu machen war. Ich schlug die Aktenmappe auf, sagte zu Chamad, dem Kater: «Du und ich werden es selber studieren, von Anfang bis Ende, wir werden Babak da herausholen.» Er rollte sich ein, und ich las ihm vor.
    Erste Seite. Das islamische Strafrecht. 497 Paragraphen, 103 Änderungsergänzungen. Prügelstrafe. So bestimmt es das Gesetz: Hundert Schläge sind die Strafe für Unzucht zwischen einem Mann und einer Frau, die nicht verheiratet sind, das heißt für sexuelle Beziehungen zwischen Ledigen. Hundert

Weitere Kostenlose Bücher