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Der geheime Basar

Der geheime Basar

Titel: Der geheime Basar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ron Leshem
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verschwinden Homosexuelle», mischte sich Zahra entschlossen ein, «ich weiß, ich weiß. Aber Babak ist ein Mensch, der uns teuer ist, wenn Sie Angaben über den Prozesstermin machen könnten, würden wir gerne hingehen.»
    «Absolut verständlich, meine Dame, aber es ist kein Homosexueller verschwunden, und einen solchen Babak haben wir nicht bei uns.»
    «Sind Sie ganz sicher?»
    «So sicher wie der zwölfte Imam.»
    «Der Prozess für einen solchen Homosexuellen, wo würde der denn normalerweise stattfinden?», beharrte Zahra hinterlistig.
    «Im Saal seiner Ehren des Richters Zare’i höchstwahrscheinlich, nicht weit von der Japanischen Botschaft, in der Straße des Schahid Ahmad Qassir, ja, die Bukareststraße. Aber wie gesagt, meine Dame, sogar dieser kurze Gang bleibt Ihnen erspart, denn es gibt keinen Babak Tiban bei uns.» Der Polizist lächelte freundlich.
    «Und ein solcher Homosexueller», fuhr Zahra unbeirrt fort, «wäre es plausibel, dass er im Evin-Gefängnis festgehalten würde?»
    «Nein, meine Dame, haben Sie die Nachrichten nicht gehört? Das Gefängnis, in dem alle Gegner des Islams hingerichtet wurden, ist bald ein teures Luxushotel, nichts zu machen, zu teuer, das ist der Preis des Fortschritts, der Lauf der Welt», lächelte der Polizist angeregt, zufrieden, dass er uns eine solche Neuheit erzählen konnte.
    «Wo verwahren Sie dann die Häftlinge?», fragte Zahra mit mühsam gezügeltem Zorn.
    «Theoretisch, wenn Sie einen so abartigen Jungen hätten, der es sich von hinten besorgen lässt, wäre es möglich, dass Sie ihn im Gohardascht-Gefängnis finden, meine Dame, in Karadsch. Aber wie gesagt, ein Babak Tiban existiert nicht in unseren Listen. Ich könnte Ihnen helfen, eine Vermisstenanzeige aufzugeben. Sind Sie die Mutter des Ketzers?»
    «Nein, die Vermieterin. Er ist schon seit einem Monat abgängig.»
    «Wir könnten natürlich kommen und Beweise für sein Verschwinden sammeln, ein paar Kisten beseitigen, Sachen, die neuen Mietern möglicherweise Unannehmlichkeiten bereiten könnten.»
    «Nein, nicht nötig», beschied sie ihn knapp.
    «Es gibt keinen Grund, weshalb die Wohnung leer stehen sollte, es spricht nichts dagegen, sie zu vermieten.»
    «Ich danke Ihnen», zischte Zahra. Wir verließen die Sackgasse und wandten uns der belebten Straße zu. Was nützte es, wenn wir uns weiter offen mit einem subalternen Polizisten herumschlugen, zwecklos seinen Ärger provozierten? «Denkt daran, meine Jungen», sagte Herr Ali Samimi immer, «wer darauf bedacht ist, die kleinen Gesetze zu befolgen, dem fällt es leichter, die großen zu brechen. Wer eine Revolution plant, benimmt sich besser höflich.»
    Am gleichen Abend nahm ich an einer Untergrundsitzung von Muhammads Studenten im alten Kino im Jusef-Abad-Viertel teil. Die Türen wurden von innen mit Stahlriegeln versperrt. Fünfzehn junge Leute saßen im Kreis, ziemlich zerzauste und trübäugige Typen, schlampig um der Ideologie willen. Gute Kinder, die sich selbst zu überzeugen versuchten, dass sie böse seien – und wichtig. Und sie ordneten sich den Regeln von Disziplin und Zeremoniell unter. Zuerst erging das Rederecht an Titin: «Freunde, das Kommunikationsministerium hat den Internetprovidern befohlen, die Surfgeschwindigkeit in Privathaushalten auf 128 kb/s zu begrenzen, um die Pornographie zu bekämpfen. Schnelle Netzverbindungen werden ausschließlich an Universitäten und autorisierten Unternehmen verfügbar sein. Was noch? Der stellvertretende Generalstaatsanwalt von Teheran hat die Polizei angewiesen, den populären Energydrink ‹Sexy 1› vom Vergnügungsmarkt einzuziehen, da er sich als gefährlich lusterregend erwiesen habe. Was noch? Ein Neujahrsgrußschreiben von unserem Exilfreund, dem Studenten Ahmad Batebi. Nachdem er bei Demonstrationen am 18. Tir 1999 fotografiert worden war, wie er sein mit dem Blut seines verletzten Freundes beflecktes Hemd schwenkte, wurde er der Anstiftung zum öffentlichen Aufruhr angeklagt und zum Tode verurteilt. Danach wurde das Urteil, infolge internationalen Drucks, zu fünfzehn Jahren Gefängnis abgemildert. Er wurde gefoltert, sein Kopf in eine Kloschüssel voller Exkremente gedrückt, ihm wurde gesagt, dass seine Mutter tot sei, und jede Berührung mit Tageslicht vorenthalten, des Öfteren veranstaltete man für ihn auch vorgebliche Hinrichtungen, das alles über neun Jahre hinweg. Als er aus dem Gefängnis in ärztliche Behandlung überstellt werden sollte, floh er über die Grenze

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