Der geheime Zirkel 02 - Circes Rueckkehr
den Ankleideraum. Felicity geht zuerst hinaus und begrüßt vor der Tür eine Freundin ihrer Mu t ter. Ich packe Anns Handgelenk und sie zuckt zusa m men.
»Du hast versprochen , damit aufzuhören« , sage ich.
»Was meinst du?«
»Du weißt ganz genau , was ich meine« , entgegne ich.
Sie schaut mir in die Augen. Ein trauriges kleines L ä cheln zeigt sich auf ihrem Gesicht. »Besser , ich verletze mich selbst , als dass ich von ihnen verletzt werde. Es tut weniger weh.«
»Ich verstehe nicht , was du meinst.«
»Für dich und Fee ist es anders« , sagt sie fast schluc h zend. »Begreifst du das nicht? Ich habe keine Zukunft. Für mich gibt es nichts. Ich werde nie eine vornehme Dame sein oder jemanden wie Tom heiraten. Ich kann nur so tun , als ob. Es ist schrecklich , Gemma.«
»Du weißt nicht , was wird« , versuche ich , sie zu ber u higen. »Niemand weiß das.«
Felicity bemerkt , dass wir ihr noch nicht gefolgt sind , und wartet auf uns. »Was ist los?«
»Nichts« , sage ich munter. »Wir kommen schon.« Ich nehme Anns Hand. »Die Dinge können sich ändern. Sag ’ s mir nach.«
»Die Dinge können sich ändern« , wiederholt sie geho r sam wie ein Papagei.
»Glaubst du das?«
Sie schüttelt den Kopf. Stille Tränen rinnen über ihre ru n den Wangen.
»Wir werden einen Weg finden. Ich verspreche es. Aber zuerst musst du versprechen , dass du damit au f hörst. Bitte!«
»Ich werd ’ s versuchen.« Sie wischt sich mit dem Han d schuh über ihr nasses Gesicht und zwingt sich zu einem L ä cheln.
»Oje , das riecht nach Ärger« , sagt Felicity , als wir uns wi e der unter die Menge im Foyer mischen. Ich sehe , was sie m eint. Es ist Cecily Temple. Sie steht neben ihrer Mutter und verrenkt sich den Hals , um irgendjemand Interessanten zu erspähen.
Ann gerät in Panik. »Mein Schwindel wird auffliegen. Man wird mich mit Schimpf und Schande davonjagen ! Das ist mein Ende.«
»Hör sofort auf« , zischt Felicity. Aber Ann hat natü r lich recht. Cecily kann die Geschichte von ihrer adeligen russ i schen Abstammung in sich zusammenstürzen lassen wie ein Kartenhaus.
»Wir werden ihr ausweichen« , sagt Felicity. »Komm mit. Wir nehmen die gegenüberliegende Treppe. Ge m ma , knapp vor der Pause. Vergiss es nicht.«
»Zum dritten Mal , nein , ich vergess es nicht« , sage ich g e reizt.
Die Beleuchtung flackert , zum Zeichen , dass die Vorste l lung beginnt.
»Da sind Sie ja!« , sagt Simon. Er hat auf mich gewartet. Mein Magen flattert. »Haben Sie Miss Bradshaws Ar m band gefunden?«
»Nein. Ihr ist eingefallen , dass sie es wohl doch in ihrer Schmuckkassette gelassen hat« , lüge ich.
Simons Familie hat eine Privatloge in einem der oberen Ränge. Das gibt mir das Gefühl , als sei ich die Königin pe r sönlich und lasse meine Augen gebieterisch über meine U n tertanen schweifen. Wir nehmen unsere Plätze ein und tun so , als würden wir unsere Programmhefte studieren , obwohl ni e mand sich wirklich für den Mikado interessiert. Di e O perngl ä ser werden benutzt , um hei m lich Liebespaare und Freunde zu beobachten , zu scha u en , wer was anhat und wer mit wem gekommen ist. Das Publikum hier im Saal birgt ein weit gr ö ßeres Potenzial an Skandal und Dramatik , als uns auf der Bühne geboten werden könnte. Endlich werden die Lichter gedämpft und der Vorhang hebt sich vor einem kleinen jap a nischen Dorf. Drei erwachsene Sängerinnen mit oriental i schen Gewändern und schwarz gelackten Perücken singen , sie seien drei kleine Schulmädchen. Es ist meine erste Oper und ich bin entzückt. Mittendrin ertappe ich Simon d a bei , wie er mich beobachtet. Statt wegzuschauen , lächelt er mich stra h lend an und ich kann mir nicht vorstellen , wie ich mich for t stehlen soll , um das Mag i sche Reich zu betreten. Auch das hier ist Magie und ich bereue schon jetzt unsere Abmachung.
Kurz vor der Pause erspähe ich Felicity durch mein Oper n glas. Sie sieht mich ungeduldig an. Ich flüstere Großmama ins Ohr , sie möge mich bitte entschuldigen. Bevor sie protestieren kann , schlüpfe ich durch den Vo r hang nach draußen auf den Flur , wo ich mich mit Felicity und Ann treffe.
»Im nächsten Rang oben ist eine unbesetzte Loge« , sagt F e licity und nimmt meine Hand. Eine sehnsuchtsvolle Arie durchzieht das Opernhaus , als wir lautlos die Treppe hinau f schleichen. Tief gebückt schieben wir die schweren Vorhänge zur Seite und setzen uns gleich d a hinter auf den Boden. Ich fasse nach
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