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Der Geheimnisvolle Eremit

Der Geheimnisvolle Eremit

Titel: Der Geheimnisvolle Eremit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ellis Peters
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dafür, daß du mir solange getrotzt hast.«
    Richard senkte die langen Wimpern über die Augen und blickte zu Boden. »Ja, Großmutter.« Und dann machte er einen schwachen Vorstoß: »Darf ich heute hinausgehen? Ich will nicht den ganzen Tag und die ganze Nacht eingesperrt bleiben.«
    »Wir werden sehen«, antwortete sie, aber am Tonfall erkannte Richard, daß es ein klares Nein war. Sie ließ nicht mit sich reden und nicht mit sich verhandeln, sie hatte ihm etwas heimzuzahlen. »Aber jetzt noch nicht, du hast es noch nicht verdient. Du mußt zuerst beweisen, daß du auch weißt, wie du dich zu verhalten hast. Dann erst wirst du deine Freiheit zurückbekommen. Hier geht es dir gut, du hast alles, was du brauchst, also gib dich zufrieden und verdiene dir, was du haben willst.«
    »Aber das habe ich doch getan!« fauchte er. »Ich habe getan, was du wolltest, jetzt mußt du auch tun, was ich will. Es ist nicht recht, mich hier einzusperren, es ist nicht freundlich und nicht gerecht. Ich weiß nicht einmal, was du mit meinem Pony gemacht hast.«
    »Dein Pony steht sicher im Stall«, erwiderte Dionisia scharf, »und wird ebenso gut versorgt wie du. Und du, junger Herr, solltest in meiner Gegenwart besser deine Zunge hüten, denn sonst werde ich dich gutes Benehmen lehren. Anscheinend hast du in der Abteischule gelernt, frech zu deinen Eltern zu sein, aber das vergißt du am besten so schnell wie möglich wieder.«
    »Ich bin doch gar nicht frech«, flehte er, plötzlich wieder verzweifelt. »Ich will doch nur draußen im Licht sein, ich will hinaus und nicht hier eingesperrt sein, ohne Bäume und Gras zu sehen. Ich fühle mich so allein hier…«
    »Du wirst Gesellschaft bekommen«, versprach sie und griff damit die einzige Beschwerde heraus, die sie zufriedenstellen konnte, ohne ihre eigenen Ziele zu gefährden. »Ich schicke dir deine Braut, die dir Gesellschaft leisten kann. Ihr sollt euch heute noch etwas kennenlernen, denn sie wird morgen mit ihrem Vater nach Wroxeter zurückkehren, während du, Richard«, sagte sie warnend und blickte ihn scharf an, »mit mir auf dein eigenes Landgut zurückkehren wirst, um den dir gebührenden Platz einzunehmen. Ich erwarte, daß du dich dort anständig aufführst und nicht der Schule nachjammerst, denn du bist jetzt ein verheirateter Mann von hoher Stellung. Eaton ist dein, und dort ist dein Platz. Ich erwarte von dir, daß du dies sagst, sobald irgend jemand dich fragt. Hast du mich verstanden, Junge?«
    Er hatte sie sehr gut verstanden. Er sollte mit Schmeicheleien, Drohungen und Erpressung dazu gebracht werden, selbst Bruder Paul und wenn nötig auch dem Vater Abt gegenüber zu erklären, daß er aus eigenem Willen zu seiner Großmutter zurückgekehrt war und aus ganzem Herzen in die Heirat eingewilligt hatte, die sie für ihn arrangiert hatte. Er verbarg sein geheimes Wissen tief in seinem Herzen und antwortete unterwürfig: »Ja, Großmutter!«
    »Gut. Ich werde Hiltrude schicken. Und daß du dich ja gut benimmst. Du mußt dich an sie gewöhnen und sie sich an dich, also könnt ihr auch gleich damit beginnen.« Immerhin ließ sie sich dazu herab, ihn zum Abschied noch einmal zu küssen, wenn der Kuß ihm auch eher vorkam wie eine Ohrfeige. Sie rauschte mit wallenden Gewändern hinaus und verriegelte hinter sich die Tür.
    Jedenfalls wußte er jetzt, daß sein Pony im Stall stand; wenn er es nur erreichen könnte, er würde sofort fliehen. Doch wenige Augenblicke später kam, wie seine Großmutter angedroht hatte, Hiltrude herein. Seine ganze Abneigung und seine Wut, die mit dem Mädchen selbst nur wenig zu tun hatten, entlud sich in einer Woge kindischen Zornes gegen sie.
    Sie schien ihm immer noch wenigstens der Generation der Mutter anzugehören, an die er sich kaum erinnern konnte, doch häßlich war sie wirklich nicht. Sie hatte eine saubere, helle Haut, und große, verhangene braune Augen. Ihr glattes, mausbraunes Haar war voll und zu einem breiten Zopf geflochten, der bis zu ihrer Hüfte herabhing. Sie sah eigentlich gar nicht schlecht aus, nur verbittert, resigniert und elend. Sie blieb einen Augenblick in der Türe stehen und starrte nachdenklich den Jungen an, der düster auf seinem Bett hockte.
    »Jetzt haben sie also dich als Wachhund geschickt«, sagte Richard unfreundlich.
    Hiltrude setzte sich auf die Fensterbank vor die verschlossenen Läden und betrachtete ihn mißmutig. »Ich weiß, daß du mich nicht magst«, sagte sie; es klang nicht traurig, sondern

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