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Der Geheimnisvolle Eremit

Der Geheimnisvolle Eremit

Titel: Der Geheimnisvolle Eremit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ellis Peters
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lernen.
    Schickt mich nicht fort! Ich wollte gar nicht so lange ausbleiben!
    Ich war auf dem Rückweg, als sie mich aufhielten. Ich war auf dem Rückweg, wirklich!«
    »Anscheinend«, erklärte der Abt trocken, »steht hier zur Debatte, wo dein Zuhause ist, da Herr Fulke dir sein Geleit zu deinem Heim anbietet, während du der Meinung bist, du seist bereits dort. Wie du dich erklären willst, kann eine Weile warten. Wohin du gehörst, anscheinend nicht. Steh sofort auf, Richard, und halte dich aufrecht, wie es sich geziemt.« Und er faßte Richard mit schlanker, aber kräftiger Hand am Unterarm und zog ihn auf die Beine.
    Nun erst sah Richard sich um und stellte zu seinem Unbehagen fest, daß viele Augenpaare ihn anstarrten.
    Verlegen, daß er den versammelten Brüdern einen so zerzausten und verschmutzten Anblick bot, ganz zu schweigen von der Peinlichkeit der verkrustenden Tränenspuren auf seinen Wangen, richtete er sich auf und wischte sich eilig mit einem Ärmel durch das schmutzige Gesicht. Dann suchte er im Kreis der Kuttenträger nach Bruder Paul, fand ihn und war etwas getröstet. Und Bruder Paul, dem es schwerfiel, nicht sofort zu seinem verirrten Lamm zu eilen, setzte sein ganzes Vertrauen auf Abt Radulfus und hielt den Mund.
    »Ihr habt gehört, Herr«, sagte der Abt, »was Richards Wille ist. Zweifellos wißt Ihr, daß sein Vater ihn in meine Obhut gab und wünschte, daß er hier bleibe und lerne, bis er das rechte Alter erreicht hat. Mir ist vertraglich und unter Zeugen die Obhut über diesen Jungen übertragen worden, und aus dieser meiner Obhut verschwand er vor einigen Tagen. Ich habe bisher nicht vernommen, mit welchem Recht Ihr ihn beansprucht.«
    »Richard ändert jeden Tag seine Meinung«, erwiderte Fulke selbstbewußt und laut, »denn erst gestern abend traf er bereitwillig eine völlig entgegengesetzte Entscheidung.
    Übrigens bin ich ohnehin nicht der Ansicht, daß ein Kind für sich selbst entscheiden soll, wenn seine Eltern besser wissen, was gut für es ist. Und was meinen Anspruch angeht, so will ich ihn Euch darlegen. Richard ist mit Wissen und Zustimmung seiner Großmutter mein Schwiegersohn, da er gestern abend mit meiner Tochter verheiratet wurde.«
    Durch den Kreis der Zuhörer lief ein empörtes Murmeln. Abt Radulfus zeigte äußerlich keine Regung, doch Cadfael sah, wie sich die Linien in seinem hageren Gesicht spannten, und wußte, daß der Pfeil getroffen hatte. Genau dies war von langer Hand von Dionisia vorbereitet worden; dieser überhebliche Nachbar war für sie doch kaum mehr als ein Werkzeug. Aber was er vorgebracht hatte, mochte der Wahrheit entsprechen, wenn sie den Jungen die ganze Zeit in ihren Händen gehabt hatten. Und Richard, der entsetzt herumfuhr, um herauszuschreien, daß es nicht die Wahrheit sei, begegnete dem strengen Blick des Abtes, der auf ihm ruhte, und es verschlug ihm die Sprache. Er hatte Angst, vor diesem gerechten Mann zu lügen, vor diesem Mann, den er ebenso bewunderte wie fürchtete. Er wollte nicht lügen, aber verstört durch Fulkes nüchterne Erklärung wußte er nicht mehr, was die Wahrheit war. Denn man hatte ihn tatsächlich mit Hiltrude verheiratet, bloßes Abstreiten war also nicht genug. Und dann durchfuhr ihn ein neuer Schreck und nahm ihm den Atem. Was, wenn Hyacinth sich getäuscht hatte und die Gelübde, die er willig abgelegt hatte, ihn wirklich für das ganze Leben banden?
    »Ist das wahr, Richard?« fragte Radulfus.
    Seine Stimme war sachlich und ruhig, doch unter diesen Umständen klang sie für Richard schrecklich. Er suchte nach Worten, die ausreichen würden, und Fulke antwortete ungeduldig für ihn: »Es ist wahr, er kann es nicht abstreiten.
    Zweifelt Ihr an meinem Wort, Ehrwürdiger Vater?«
    »Schweigt!« sagte der Abt bestimmt, aber immer noch ruhig.
    »Ich will Richards Antwort hören. Sprich, Junge! Hat diese Eheschließung tatsächlich stattgefunden?«
    »Ja, Ehrwürdiger Vater«, stimmte Richard zu, »aber es ist nicht –«
    »Wo? Und welche Zeugen waren zugegen?«
    »In Leighton, Vater, gestern abend, das ist wahr, aber ich bin trotzdem nicht –«
    Abermals wurde er unterbrochen und konnte nur noch frustriert und enttäuscht schluchzen.
    »Und du hast die Worte des Sakramentes freiwillig aus eigenem Wunsch gesprochen? Du wurdest nicht gezwungen?
    Geschlagen? Bedroht?«
    »Nein, Vater, nicht geschlagen, aber ich hatte Angst. Sie haben so auf mich eingeredet –«
    »Man hat ihm gut zugeredet, und er wurde überzeugt«,

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