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Der Geheimnisvolle Eremit

Der Geheimnisvolle Eremit

Titel: Der Geheimnisvolle Eremit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ellis Peters
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dahinter verrät, bei dieser Begegnung von unschätzbarem Wert sein.
    An diesen Morgen war der Nebel dünner als an den vergangenen Tagen, denn es hatte sich ein gleichmäßiger, trockener Wind erhoben, der im Laub auf den Waldwegen raschelte und mit den stumpfgoldenen Blättern spielte, die noch an den Bäumen hingen. Der erste Frost würde die Kronen des Waldes rostbraun und gelb aufflammen lassen. Noch ein oder zwei Wochen, dachte Cadfael, dann wird Hyacinth zwischen den Bäumen keinen Schutz mehr finden, wenn ungebetene Besucher zur Hütte kommen; selbst die Eichen werden dann halb entblättert sein. Aber in ein paar Tagen, so Gott es wollte, würde Aymer seine Rache vergessen und sich eilig auf den Weg machen, um daheim zu sichern, was noch zu sichern war.
    Die Leiche seines Vaters war eingesargt, und die beiden Burschen, die er mitgebracht hatte, konnten unterwegs auf jeder Etappe der Reise durch angeheuerte Sargträger unterstützt werden. Er hatte bereits die ganze Gegend erfolglos abgesucht und schien zwischen seinen beiden Bedürfnissen hin-und hergerissen, doch am Ende würde zweifellos das einträglichere den Sieg davontragen. Hyacinths Freiheit mochte näher sein, als er selbst wußte. Und er hatte sich bereits sehr nützlich gemacht, denn wer außer ihm konnte Richard verraten haben, daß der Einsiedler nicht war, was er zu sein behauptete? Hyacinth war mit ihm gereist und hatte ihn schon gekannt, bevor die beiden nach Buildwas gekommen waren.
    Hyacinth mochte einige Dinge über seinen verehrten Herrn und Meister wissen, die niemand sonst bekannt waren.
    Das dichte Waldland verbarg die Einsiedelei vor ihren Blicken, bis sie in ihrer unmittelbaren Nähe waren. Plötzlich teilten sich die Bäume vor ihnen und ließen eine kleine grüne Lichtung frei, auf der sie den niedrigen Gartenzaun und die gedrungene Klause aus grauem Stein sahen, die mit neuerem, hellerem Stein repariert worden war: Die Haustür stand offen, denn Cuthred hatte gesagt, jeder Besucher sei jederzeit willkommen. Niemand arbeitete im halb gejäteten Garten, kein Geräusch drang aus dem Innern der Klause, als sie am Gartenzaun abstiegen und die Pferde festbanden. Cuthred mußte im Innern der Hütte sein; vielleicht betete er schweigend.
    »Geht Ihr zuerst, Vater«, sagte Hugh. »Hier ist eher Eure Amtsgewalt gefragt als meine.«
    Der Abt mußte den Kopf neigen; als er durch den steinernen Türbogen trat. Er blieb einen Moment ruhig stehen, bis seine Augen sich an das Halbdunkel gewöhnt hatten. Da die Äste der Bäume weit herunterhingen, fiel durch das einzige schmale Fenster um diese Stunde nur gedämpftes Licht, und die Schatten in dem schlichten Raum nahmen nur langsam Gestalt an: die schmale Liege an der Wand, der kleine Tisch und die Bank, ein paar Gefäße, Teller, Tasse und getöpferte Schalen.
    Durch den türlosen Eingang der Kapelle konnte der Abt im Licht der kleinen Lampe die Steinplatte des Altars sehen, doch alles darunter blieb im Dunkel. Die Lampe war weit heruntergebrannt, kaum mehr als ein Fünkchen.
    »Cuthred!« rief Radulfus in die Stille. »Seid Ihr hier? Der Abt von Shrewsbury grüßt Euch im Namen Gottes.«
    Außer dem kleinen, steinernen Echo kam keine Antwort.
    Hugh schob sich am Abt vorbei, tat einen Schritt in die Kapelle hinein und blieb plötzlich stehen. Er atmete erschroc ken ein.
    Cuthred war tatsächlich in der Kapelle, doch nicht im Gebet versunken. Er lag ausgestreckt auf dem Rücken neben dem Altar, Kopf und Schultern gegen den Stein gelehnt, als wäre er, mit dem Gesicht zur Tür gewandt, gestürzt oder zurückgeschleudert worden. Seine Kutte war zu dunklen Falten hochgeschoben und ließ sehnige Füße und Fußgelenke frei, und die Brust des Gewandes war feucht und geschwärzt von einem länglichen Fleck das Blut aus der Stichwunde, die ihn getötet hatte. Sein Gesicht war zwischen der dunklen Haarmähne und dem Bart zu einer Grimasse verzogen, die gleichermaßen an Wut und Schmerz denken ließ – die Lippen von den kräftigen Zähnen zurückgezogen, die Augen funkelnd und halb geöffnet. Die Arme waren weit ausgebreitet, und dicht neben der rechten Hand, als hätte er ihn im Augenblick des Sturzes losgelassen, lag ein langer Dolch auf dem Steinboden.
    Priester oder nicht, Cuthred würde nie wieder zu seiner Verteidigung sprechen. Man brauchte nicht zu fragen und ihn nicht zu berühren, um zu sehen, daß er schon einige Stunden tot war. Gestorben durch Gewalt.
    »Gütiger Himmel!« flüsterte der Abt

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