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Der geheimnisvolle Garten: Roman (German Edition)

Der geheimnisvolle Garten: Roman (German Edition)

Titel: Der geheimnisvolle Garten: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annette Dutton
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dass man ihre Geschichte eines Tages entdecken und verstehen würde. Jemand, der zur Familie gehört.«
    Natascha schluckte.
    »Warum hat sie denn nicht um ihre Tochter gekämpft? Die Briefe beweisen doch, dass ihr Maria alles andere als gleichgültig war.« Wieder schüttelte er den Kopf.
    »Ich weiß es wirklich nicht. Vielleicht waren ihr aus irgendeinem Grund die Hände gebunden. Es waren andere Zeiten damals.«
    »Noch mal gefragt: Könnte es sein, dass der Vater ein Aborigine war?«
    Pastor Edwards hob sich ein Stück aus den Kissen. »Möglich wäre das durchaus«, sagte er dann. Natascha dachte an Parri, behielt den Gedanken jedoch für sich.
    »Und warum hat sich Maria nie weiter für ihre Vorfahren interessiert? Ich finde das äußerst merkwürdig.« Der Pastor wackelte mit dem Kopf, als wöge er ihre Worte ab.
    »Wenn sie als Kind entführt wurde, kann es durchaus auf das Trauma des Erlebten zurückzuführen sein. Ich habe in meiner Gemeinde von vielen Geschichten dieser Art gehört. Was hat man den Kindern nicht alles erzählt! Dass ihre Eltern sie nicht mehr gewollt und an die Mission weggegeben hätten oder sogar, dass die Eltern tot seien. Wer weiß, was sie Ihrer armen Großmutter erzählt haben. Vielleicht wollte Maria nicht mehr zurückschauen, weil sie es nicht ertragen konnte, weil es zu viel Kraft kostete und der Schmerz zu groß war.« Natascha fühlte, wie der Kloß in ihrem Hals größer wurde, und kämpfte mit aufsteigenden Tränen. Sie wollte aufstehen, um im Rucksack nach einem Taschentuch zu suchen, doch die Hand des Pastors hielt sie zurück.
    »Natascha, Sie müssen mir eines versprechen. Bitte machen Sie nicht den Fehler, Maria oder Helen im Nachhinein zu grollen.« Sie sah ihn aus großen Augen an. Wie kam er denn darauf? Sein Atem ging rasselnd, er ließ ihre Hand los.
    »Ich weiß, noch sind Sie nur traurig und empfinden Mitleid, aber später wird die Wut in Ihnen hochkochen. Das kann ich Ihnen aus meiner Erfahrung und Arbeit mit zerrissenen Familien fast schon garantieren. Eine durchaus normale Reaktion übrigens, schließlich haben die Entscheidungen der beiden Frauen Ihre Familiengeschichte geprägt. Aber Sie müssen sich vor Augen führen, dass es das Recht dieser Frauen war, ihr Leben so zu leben, wie sie es für richtig hielten. Es ist nicht an uns, darüber zu urteilen – das gilt auch für Sie, Natascha. Bitte vergessen Sie nicht: Die Zeiten waren andere, und was den beiden Frauen damals geschehen ist, ist für unsere Begriffe völlig unfassbar. Sie müssen in Ihrem Urteil nachsichtig sein, wollen Sie mir das versprechen?« Eine erwartungsvolle Pause entstand.
    »Ich werde es versuchen«, sagte Natascha endlich. Ihre Stimme klang rauh, und sie räusperte sich.
    »Pastor Edwards?«
    »Ja?«
    »Wie ist Helen gestorben? Ich weiß nicht, wie Sie es ausdrücken würden, ich meine, ist sie …«
    »Ob sie in Frieden gegangen ist?« Er dachte eine Sekunde lang nach. »Ja, das ist sie wohl.« Er nickte bedächtig, und sein offener Blick schien sich nach innen zu kehren, so als würde er sich Helens Sterben noch einmal ins Gedächtnis zurückrufen. Er nickte immer noch, als er nach einer Weile weitersprach. »Doch, ich denke, Helen war am Ende mit sich und der Welt im Reinen. Sie hatte sich in ihrem Leben etwas aufgebaut, worauf sie stolz sein konnte. Ich meine, mich sogar zu erinnern, dass sie am Ende gelächelt hat.« Er sah sie an. »Sie hatte viele Freunde, wissen Sie. Die Orta, die Farmer der Umgebung. Sie hätten mal die Beerdigung sehen sollen. Ich hatte ja keine Ahnung, wie viele Menschen überhaupt in den Misty Mountains leben.«
    Natascha stand auf und nestelte mit dem Rücken zum Bett nach einem Taschentuch. Die Tränen liefen ihr jetzt übers Gesicht. Geräuschvoll schneuzte sie sich in ein altes Tempo und drehte sich erst wieder um, als sie sich einigermaßen im Griff hatte.
    Auf einmal verspürte sie den Wunsch, allein zu sein.
    »Danke, dass Sie mir von meiner Urgroßmutter erzählt haben. Ich weiß es sehr zu schätzen.« Sie zerdrückte das Taschentuch in ihrer Linken, griff dann nach dem Rucksack.
    »Ich gehe jetzt besser. Also dann.« Der Pastor schien zu verstehen. Sein Blick wanderte zur Wanduhr.
    »Ach, richtig. Meine Bibelstunde. Bevor Sie gehen, will ich Ihnen noch eine Sache erzählen. Ich kann nichts beweisen, und ich kenne auch keinen Namen, aber ich bin mir fast sicher, dass es ein Pastor war – ein lutherischer Pastor wohlgemerkt –, der für Marias

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