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Der Gejagte

Der Gejagte

Titel: Der Gejagte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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verließ er ohne ein weiteres Wort die Kammer.
Andrej glitt mit einem erleichterten Seufzer vom Tisch herunter,
bückte sich nach der Decke und schlang sie wie einen improvisierten
Rock um die Hüften. Ihm wurde leicht schwindelig, da er die Bewegung viel zu schnell ausgeführt hatte, doch er hatte sich gut genug in
der Gewalt, dass die beiden anderen es nicht bemerkten.
»Ich muss mich für Chevalier Romegas’ unmögliches Benehmen
bei Euch entschuldigen«, sagte Starkey. »Es war mein Fehler. Ich
hätte wissen müssen, dass er es niemals akzeptiert, mit Euch zusammenarbeiten zu müssen. Nehmt Ihr meine Entschuldigung an?«
»Ich wüsste nicht, wofür Ihr Euch entschuldigen müsstet, Sir Oliver«, antwortete Andrej. Dann lächelte er unsicher. »Um ehrlich zu
sein, weiß ich nicht einmal genau, was passiert ist. Romegas hat
mich hierher bringen lassen? Warum? Was ist geschehen?«
»Ihr erinnert Euch nicht?«, vergewisserte sich Starkey.
»Nein«, antwortete Andrej. »Ich war oben im Glockenturm, und
dann…«
»Nein«, unterbrach ihn Starkey. »Zumindest wart Ihr das nicht
mehr, als Romegas Euch fand. Ihr habt in fünfzehn Fuß Höhe am
Glockenseil gehangen. Jemand hat Euch daran aufgehängt. Zumindest behauptet er das - und unglückseligerweise auch ungefähr dreißig oder vierzig andere, die es gesehen haben.«
Andrej starrte ihn ungläubig an. Ganz ohne sein Zutun wanderte
seine linke Hand zu seiner Kehle und betastete sie. Die Berührung tat
weh. Er spürte keine Wunde, doch es war, als sei etwas darin zerbrochen und noch nicht wieder vollständig geheilt.
»Ich fürchte, Sir Oliver hat Recht«, sagte La Valette. »In jeder Hinsicht. Es war ein Fehler, ausgerechnet Euch mit Romegas eine gemeinsame Aufgabe zu übertragen, aber sehr viele Männer und Frauen haben gesehen, wie man Euch vom Glockenseil geschnitten hat.
Und sie alle schwören, Ihr seiet tot gewesen.«
»Das war er auch!« Romegas kam zurück. Er trug ein Bündel unordentlich zusammengelegter Kleidungsstücke über dem linken Arm,
in denen Andrej jedoch nicht sein Ordensgewand erkannte, sondern
die einfachen, robusten Sachen, in denen er vor drei Jahren auf der
Insel angekommen war. Offensichtlich war Romegas nicht untätig
gewesen. Als Andrej diese Kleidungsstücke das letzte Mal gesehen
hatte, hatten sie auf dem Boden einer einfachen Truhe in seinem
Zimmer im Ordenshaus gelegen. »Ich selbst habe ihn abgeschnitten.
Sein Herz hat nicht geschlagen. Er hat nicht geatmet.« Er ließ die
Kleider achtlos vor Andrejs Füßen auf den Boden fallen und sah sowohl Sir Oliver als auch den Großmeister trotzig, ja, fast herausfordernd, an. »Bei allem Respekt, Exzellenz, doch ich weiß, was ich
gesehen habe. Dieser Mann war tot. Sein Genick war gebrochen.
Jemand hat ihm den Schädel eingeschlagen. Und nun seht ihn Euch
an! Er ist unversehrt. Seine Haut weist nicht einmal einen Kratzer
auf.«
»Vielleicht habt Ihr Euch getäuscht«, sagte Starkey. »Manchmal
bluten selbst kleine Wunden so schlimm wie eine tödliche Verletzung.«
»Und die Männer oben im Turm?«, beharrte Romegas.
»Ich habe sie nicht getötet«, sagte Andrej ruhig, während er sich
nach seinen Kleidern bückte. Umständlich begann er sich anzukleiden. Er musste vorsichtig sein. Bei jeder zu hastigen Bewegung wurde ihm wieder schwindelig, und auch der Schmerz in seinem Hals
war noch da. Andrej versuchte sich davon zu überzeugen, dass es
Unsinn war - und dennoch verspürte er Angst, eine einzige unbedachte Bewegung könnte ausreichen, sein Genick erneut brechen zu
lassen. Plötzlich fühlte er sich verwundbar und das war eine neue
und ganz und gar nicht angenehme Erfahrung.
»Nein, natürlich nicht«, erklärte Romegas böse. »Deshalb hattet Ihr
es auch so eilig, in den Turm zu kommen, nicht wahr? Hattet Ihr
Angst, sie könnten uns vor dem Hinterhalt der Türken warnen?«
»Das ist genug!«, sagte Starkey nunmehr in wesentlich schärferem
Ton.
Romegas ließ sich davon jedoch nicht beeindrucken, sondern funkelte ihn nur trotzig an. Anklagend wies er mit dem ausgestreckten
Arm auf Andrej. »Dieser Mann war tot, Sir Oliver«, sagte er betont.
»Ich habe es gesehen und ein Dutzend anderer auch.«
»Umso vorausschauender war es von Euch, ihn hier herunterzubringen«, sagte La Valette. »Dennoch gibt es da gewisse Dinge, die
Ihr nicht wisst und auch nicht wissen könnt.«
»Das scheint mir auch so«, erwiderte Romegas ärgerlich. »Bei allem Respekt, Exzellenz: Habt Ihr

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