Der Gejagte
seine Waffe fallen, und noch bevor das
Schwert den Boden berührte, hatten sich drei Mann auf ihn gestürzt,
ihn von La Valette fortgerissen und zu Boden gezwungen.
Der Großmeister machte einen taumelnden Schritt zur Seite und
griff mit der Hand nach seinem blutenden Hals. Starkey war sofort
neben ihm und streckte die Arme aus, um ihn zu stützen, was einigermaßen seltsam aussah, da der Engländer sichtlich kaum die Kraft
hatte, sich selbst auf den Beinen zu halten.
Danach brach ein Tumult in dem verwüsteten Kapitelsaal los. Einige Soldaten stürzten sich auf Romegas, während andere unschlüssig
dastanden; der Rest versuchte Andrej und Abu Dun in Schach zu
halten. Schließlich machte sich La Valette mit einer unwilligen Bewegung los und sagte laut: »Genug! Stellt ihn auf die Füße!«
Die Männer, die Romegas mit brutaler Kraft auf den Boden pressten, zerrten ihn noch unsanfter in die Höhe. Einer von ihnen packte
zu und riss den Dolch aus seiner Hand, sodass Romegas vor Schmerz
aufschrie und dann in den Armen seiner Bewacher zusammensank.
»Und Ihr, Sir Oliver…«, wandte sich La Valette in einem Ton und
mit einem Blick an seinen Sekretär, als gebe er ihm ganz allein die
Schuld an allem, was soeben geschehen war, »… hättet jetzt vielleicht die Güte, mir zu erklären, was das alles zu bedeuten hat.«
Und das tat Starkey. Mit wenigen, sehr präzisen Worten erzählte er,
was Andrej und er in Julias Haus gesehen und vor allem erfahren
hatten.
La Valette hörte mit erstarrtem Gesicht zu, doch sein Blick verdüsterte sich mit jedem Wort, das er hörte, mehr.
»Ihr seht also«, schloss Starkey, »der Muselman ist keineswegs
hergekommen, um Euch etwas anzutun, Exzellenz, sondern einzig,
weil er Chevalier de Romegas und die beiden Männer, die bei ihm
waren, gesucht hat.«
»Ist das wahr?«, wandte sich La Valette an Abu Dun. Der Nubier
starrte ihn nur kalt an, aber Romegas keuchte: »Haben die fremden
Hexenmeister Euren Geist schon so verwirrt, dass Ihr Wahrheit nicht
mehr von Lüge unterscheiden könnt, alter Mann? Seht Ihr denn
nicht, dass…«
Weiter kam er nicht. La Valette machte eine fast unmerkliche Bewegung mit der linken Hand und einer der Männer, die Romegas
hielten, versetzte diesem einen Faustschlag ins Gesicht, der seine
Unterlippe aufplatzen und ihn wieder kraftlos in den Armen seiner
Bewacher zusammensinken ließ.
»Dann frage ich Euch«, fuhr La Valette nunmehr direkt an Abu
Dun gewandt fort, »hat es sich so zugetragen, wie Sir Oliver behauptet?«
Abu Dun schwieg beharrlich weiter, doch Andrej spürte, wie es
hinter dieser Maske in ihm brodelte. Abu Dun konnte sich gerade
noch mit letzter Kraft beherrschen, doch am liebsten würde er sich
auf der Stelle auf Romegas stürzen und ihm die Kehle herausreißen.
Schließlich aber rang er sich zumindest zu einem abgehackten Nicken durch.
»Dann kann ich Euch verstehen«, sagte La Valette. »Und unter diesen Umständen, denke ich, kann ich Euch Euer Eindringen hier -
noch dazu mit Waffengewalt - ausnahmsweise verzeihen. Dennoch
müsst Ihr begreifen, mein Freund, dass ich es nicht zulassen kann,
dass ein Mann, der nicht unserem Glauben angehört, über ein Mitglied unseres Ordens richtet. Doch ich gebe Euch mein Ehrenwort,
dass der Gerechtigkeit Genüge getan wird. Chevalier de Romegas
und die beiden Soldaten, die bei ihm waren, werden noch vor Sonnenuntergang hingerichtet.« Er wandte sich mit einer befehlenden
Geste an die Soldaten. »Bringt ihn hinaus!«
Die Männer zerrten Romegas grob auf die Füße und setzten dazu
an, La Valettes Befehl auszuführen, doch Andrej hob rasch die Hand
und sagte: »Einen Augenblick noch, bitte.«
»Andrej, lass es gut sein«, sagte Starkey, während La Valette ihn
nun kaum weniger zornig anfunkelte als gerade noch Romegas.
Andrej schüttelte aber nur den Kopf, schob mit einer bedächtigen
Bewegung sein Schwert in die Scheide und tauschte einen kurzen,
aber beredten Blick mit Abu Dun. Einen Moment lang wirkte der
Nubier einfach nur verwirrt, dann verstand er und seine Augen weiteten sich.
»Es wäre besser, wenn wir allein mit Romegas reden könnten«,
sagte Andrej. »Nur Ihr, Sir Oliver, Abu Dun und ich.«
»Wieso?«, wollte Starkey wissen.
Andrej verfluchte im Stillen den Umstand, nicht offen reden zu
können. »Weil Chevalier de Romegas Informationen über den Attentäter hat, den Sultan Suleiman geschickt hat«, behauptete er. Gleichzeitig warf er Starkey und dem Großmeister
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