Der Geruch von Blut Thriller
kennt. Darunter einer, dem er immer vertraut hat.
Ray verdient eine Stange Geld dabei, und Roz auch, aber wenn sie nicht bald ein bisschen kürzertritt, fliegt ihnen die Sache um die Ohren. Ihre Kollegen sind schon misstrauisch. Sie müssen die Aktion eine Weile auf Eis legen, bis sich die Lage beruhigt hat. Das hat sie Ray gegenüber erwähnt, nachdem sie ihm vor ein paar Stunden einen geblasen hat. Woraufhin er sie am Haarschopf gepackt und grün und blau geschlagen hat.
»Wir mussten ihm noch einen Zeh abnehmen«, erklärt Roz. »Es besteht die Möglichkeit, dass er auch noch das Bein bis zum Knie verliert.«
Sie spricht voller Wärme und Mitgefühl. Sie ist mindestens ein bisschen in Ray verliebt, obwohl er sie geschlagen hat. Wie so viele andere verprügelte Frauen auch, denen Finn begegnet ist, hat Roz ein gestörtes Verhältnis zu Liebe und Gewalt.
Finn versucht, beim Thema Drogen zu bleiben. »Wie viel vertickt ihr?« Sie nennt ihm Mengenangaben und Namen von Pillen, einige davon sind ihm bekannt, von
vielen hat er noch nie gehört. Täglich tauchen neue Tranquilizer auf dem Markt auf.
»Und geldmäßig?«
»Ein paar Tausender die Woche.«
Klingt nach nicht allzu viel, solange man es nicht hochrechnet. Hundert Riesen in den Taschen bedeuten eine Viertelmillion Arzneimittel, die jährlich zum Fenster rausfliegen. Das Krankenhaus macht ihr das Leben zur Hölle, wenn das rauskommt, es sei denn, sie macht einen Deal mit ihnen.
»Was willst du von mir?«, fragt Finn.
»Ich weiß nicht. Ich wollte nur mit jemandem reden. Ich hab jetzt die ganze Zeit Angst.«
Das ist der erste kluge Satz, den sie von sich gibt. Entweder landet sie im Gefängnis, oder sie muss Ray verraten, der sowieso schon mit dem Rücken zur Wand steht und kurz davor ist, durchzudrehen.
»Das solltest du auch«, sagt Finn.
F inn steht mitten in der Nacht allein im Schneesturm und zieht Bilanz. Er ist gesund und stark. Er hat Schuhe, eine Hose und ein zerrissenes langärmeliges Hemd, das ihm so gut wie keinen Schutz bietet. Sein Stock ist weg. Das Messer ist weg. Er hat weder Feuerzeug noch Handy. Den Mantel hat er Vi umgelegt. Vi ist tot. Er blutet. Die Temperatur ist unter null. Gefühlt vielleicht unter dreißig. Es schneit immer noch. Es hat keinen Sinn, um Hilfe zu rufen. Hier kann ihn niemand hören. Wer weiß, ob überhaupt jemand hinhören würde. Rack und Pudge könnten hier in der Gegend so etwas wie Helden sein. Den Leuten aus dem Tal kann er nicht trauen. Er hört keines der Windspiele. Er hat keine Ahnung, wo er ist. Eigentlich dürfte er nicht mehr als eine halbe Meile von der Schule entfernt sein. Wahrscheinlich schleppt er sich gerade durch eines der Felder, die an das Gelände grenzen.
So wie er gekleidet ist, ohne jeden Schutz vor dem Wetter und ohne die Möglichkeit, ein Feuer zu machen, gibt er sich großzügig bemessene dreißig Minuten, bevor er bewusstlos zusammenklappt und erfriert. Er ist bereits klitschnass und durchgefroren. Nur sein Blut dampft noch warm, wo es aus den Schrammen und Schnittwunden tritt. Der Dampf zieht ihm ins Gesicht und löst Unmengen von schmerzhaften Farben und Bildern in ihm aus, durch die er sich kämpfen muss, um in der kalten Dunkelheit zu bleiben.
Es dauert nicht lange, und er ist von oben bis unten mit Schnee bedeckt. Seine Wunden spürt er nicht mehr. Er steckt die Hände unter die Achseln, um nicht das Gefühl in ihnen zu verlieren. Der Schnee geht ihm jetzt fast bis zum Oberschenkel. Er überlegt, wie er herausfinden kann, wo er ist und wie er laufen muss, um irgendwann wieder zur Schule zu kommen.
Er versucht es zuerst mit der Echoortung. »Hey!«, schreit er laut, wie um einen Hund bei Fuß zu rufen.
Seine Stimme wird augenblicklich verschluckt. Kein Echo. Was der Wind nicht mit sich reißt, erstickt der Schnee.
Erst packt ihn die Angst. Seine Welt ist von Finsternis durchzogen, wie immer, auch wenn er weiß, dass er mitten durch ein endloses blendendes Weiß läuft. Ein merkwürdiger Gegensatz, der in seinen Verstand drängt. Nur dass, genau wie die Angst, seine Gedanken allmählich einfrieren.
D er Schlaf will ihn holen.
Ein freundliches Flüstern, das süße Versprechen einer Geliebten.
Trotz allem überrascht es Finn doch, festzustellen, dass er nicht sterben will. Wer hätte das gedacht?
Er ist sicher, dass Danielle hier bei ihm im Schnee ist.
Sie ist ihm die ganze Zeit gefolgt und hat endlich ihre Chance gesehen, sich wieder in sein Bewusstsein zu drängen.
In
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