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Der Gesandte des Papstes

Titel: Der Gesandte des Papstes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Lode
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wurde ihm unsanft zwischen die Lippen geschoben, und ein kühler, wohltuender
Strom ergoss sich in seine Kehle. Ibn-Marzuq spürte, wie der Sand fortgespült wurde. Er trank gierig.
    »Es wäre doch schade, wenn du uns verdurstest. Nach all der Mühe, die wir mit dir hatten.«
    Wasser geriet in seine Luftröhre, und er musste husten. Al-Munahid nahm den Schlauch fort.
    »In den Schatten mit ihm.«
    Hände packten ihn von hinten und schleiften ihn über Steine und Staub. Er schrie vor Schmerz auf. Sein Arm, was war mit seinem Arm?
    Gebrochen, dachte er.
    Danke Allah, wenn es nur der Arm ist.
    Als man ihn mit dem Rücken an einen Schatten spendenden Felsen setzte, begriff er, dass er gefesselt war - eingeschnürt wie eine Teppichrolle. Er konnte sich jedoch so weit bewegen, dass er den Zustand seiner anderen Gliedmaßen überprüfen konnte.
    Er hatte Glück gehabt. Nur der rechte Arm war gebrochen. Der Rest seines Körpers schien unversehrt zu sein, abgesehen von unzähligen Schürfwunden und Schmerzen überall.
    Aber war das Glück? Vielleicht wäre es besser gewesen, wenn er sich bei dem Sturz das Genick gebrochen hätte: aus und vorbei, keine Mühen, keine Schmerzen mehr. Doch er musste weiterleben, und nur Allah allein wusste, was al-Munahid noch mit ihm vorhatte.
    Das Dorf der Feiglinge vor Augen, die ihn im Stich gelassen hatten, dämmerte er in einem Zustand zwischen Ohnmacht und Schlaf vor sich hin. Als er die Augen wieder öffnete, schwankten Berge vor ihm. Vor sich sah er al-Munahid und den Mongolen reiten. Irgendwie war er auf ein Pferd gekommen. Er war nicht mehr gefesselt, warum auch? Er war so schwach, dass er bei einem weiteren Fluchtversuch keine zehn Ellen weit gekommen wäre. Behaarte, mit ledernen Schienen versehene Arme links und rechts hielten die Zügel und bewahrten ihn davor, aus dem
Sattel zu rutschen. Er roch den stinkenden Atem des Mannes, der hinter ihm auf dem Pferderücken saß.
    Der Dämmerzustand blieb. Mal rettete er sich in den Schlaf, mal nahm er alles durch einen Nebel dumpfer Hoffnungslosigkeit wahr, meist dann, wenn ihn die Schmerzen am Schlafen hinderten. Die Zeit wurde bedeutungslos. Wenn sie rasteten, warf man ihm Essensreste hin und einen schlaffen Schlauch mit schalem Wasser. Nachts banden sie ihn, morgens lösten sie die Fesseln und ließen ihn bei Bishr oder Uthman aufsteigen. In den Blicken der Männer las er Verachtung, Gleichgültigkeit und manchmal den Wunsch, ihn zu töten, damit sie keine Arbeit mehr mit ihm hatten. Tut es!, wollte er ihnen dann zurufen, doch al-Munahids Befehl lautete, ihn vorerst am Leben zu lassen.
    Niemand schiente seinen Arm. Es kümmerte ihn nicht, dass sie ihn damit zum Krüppel machten. Bald war alles vorbei.
    Irgendwann - nach Tagen, vielleicht auch nach Wochen - breitete sich unter ihnen eine saphirblaue Wasserfläche bis zu den schemenhaften Gipfeln am Horizont aus, über die die Schatten der Wolken zogen. Das Meer, dachte ibn-Marzuq dumpf, wir sind wieder zu Hause. Doch dann regte sich in ihm die Erinnerung, wo sie waren. Dies war der Sewansee, das gewaltige Gewässer im Herzen der armenischen Steppe.
    Das Zepter war nicht mehr fern. Er hatte versagt, den jungen Sultan, der sich auf ihn verließ, enttäuscht.
    Wenn er wenigstens das noch ändern könnte.
    Am Abend steuerte der Reitertrupp eine kleine Stadt am Ufer des Sees an. Auf einem Hügel gelegen, glich sie mehr einer Festung als einer Siedlung. Zehn Ellen hohe dunkle Mauern mit Bollwerken, Türmen und Bogenschützennestern umgaben die Häuser und Kirchen. Als sie durchs Tor ritten, sah ibn-Marzuq verwesende Leichen in eisernen Galgenkäfigen unter den Zinnen hängen: mongolische Edle, den Gewändern nach zu urteilen. In den Straßen nahm er eine unbestimmte Spannung wahr,
die Erwartung von Gefahr, die über allem zu liegen schien. Die Bewohner waren ausnahmslos Armenier, und fast alle trugen sie Waffen. Zwei gewaltige Katapulte standen auf dem Platz in der Stadtmitte, daneben türmten sich Steinkugeln und Amphoren mit unlöschbarem Feuer. Teilnahmslos bemerkte ibn-Marzuq die argwöhnischen Blicke, die man ihnen allerorts zuwarf.
    »Wir sollten hier nicht bleiben«, murmelte der Mongole an al-Munahid gewandt. Wie die anderen hatte er schon vor Tagen Rüstung und Waffen im Gepäck verstaut und unauffällige Reisekleidung angelegt. Zusätzlich verhüllte er sein Gesicht mit einem Tuch wie ein Beduine.
    Al-Munahid nickte. »Sowie wir Vorräte haben, reiten wir weiter.«
    Die Händler

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