Der Gesandte des Papstes
deshalb fiel es mir nicht schwer, es zu stehlen. Sie bemerkten den Verlust nicht einmal. Es kostete mich mehr Mut, es Antonius zu geben. Ich glaube, er hielt mich für einen Engel, als ich seine Hütte betrat und mit dem Zepter die Kopfwunde heilte, die er sich beim Sturz in den Hügeln zugezogen hatte.« Sie lächelte bei der Erinnerung. »Er sprach mich an, doch damals konnte ich die Sprache der Menschen noch nicht und bekam Angst. Als er erschöpft von der Heilung einschlief, ließ ich das Zepter bei ihm und floh zu meinem Dorf.
Doch seit dieser Begegnung reichte es mir nicht mehr, ihn nur zu beobachten. Ich wollte ihm nahe sein. Also nahm ich all meinen Mut zusammen und kehrte zu seiner Hütte zurück. Antonius erwartete mich bereits. Er hatte mich nicht für einen Fiebertraum gehalten, wie ich befürchtete, sondern sich so sehr nach einem Wiedersehen gesehnt wie ich. Meine Lehrer hatten erzählt, die Menschen seien grausam, dumm und zügellos. Nach meiner ersten Begegnung mit Antonius hatte ich gespürt, dass er anders war, doch meine letzten Reste von Furcht verschwanden erst, als ich vor ihm stand. Obwohl er mit seinen fünfundzwanzig Jahren so unbegreiflich jung war, wohnten eine Milde und Weisheit in ihm, die ich noch bei keinem Djinn erlebt hatte.
Von da an sahen wir uns jeden Tag. Er brachte mir seine Sprache bei, und ich lehrte ihn, mit dem Zepter zu heilen. Er glaubte, Gott habe seine Gebete erhört und mich mit dem Zepter
gesandt. Er wurde zu dem Wunderheiler, für den man ihn immer gehalten hatte, und die Kranken und Verletzten suchten ihn scharenweise auf. Anfangs versteckte ich mich vor ihnen, doch bald hörte ich damit auf. Schließlich wussten die Bittsteller von Antonius nicht, wer ich war; sie hielten mich einfach für seine Gefährtin. Obwohl die meisten es aus Dankbarkeit für seine Hilfe nicht offen aussprachen, nahmen sie Anstoß an mir. Ein Mann, der Enthaltsamkeit geschworen hatte, sollte keine Frau an seiner Seite haben. Antonius kümmerte sich nicht darum, was seine Glaubensbrüder dachten. Für ihn war unsere Liebe nie etwas gewesen, das seiner Suche nach Gott im Weg stand.
Mir erging es ähnlich. Die Gesetze meines Volkes verbieten es, auch nur in die Nähe von Menschen zu kommen. Außerdem war ich eine Edle in meinem Dorf, eine Prinzessin, die ein Vorbild für andere sein musste. Mein Vater hätte mich hart bestraft, wenn er von Antonius erfahren hätte. Dass er meine täglichen Wanderungen in die Hügel nicht bemerkte, lag daran, dass seine Aufmerksamkeit allein den Büchern galt. Von morgens bis abends dachte er über philosophische Fragen nach und überließ meine Erziehung zwei Lehrern, bei denen ich tun und lassen konnte, was ich wollte. Eine Mutter hatte ich nicht. Sie war kurz nach meiner Geburt von Beduinen getötet worden.
Doch ich dachte nicht an die Strafen, die mich erwarteten, wenn mein Vater herausfand, was ich tat. Ich wollte bei Antonius sein und vergeudete keinen Gedanken an die Zukunft.«
Jada verstummte und strich sich eine Haarsträhne aus der Stirn. Ein Schatten hatte sich über ihr Gesicht gelegt. Raoul bedrängte sie nicht mit Fragen. Er wartete geduldig, bis sie weitersprach.
»Ein halbes Jahr später stellten sie fest, dass das Zepter fehlte. Als die Wachen es meinem Vater berichteten, sah ich zum ersten Mal Angst in seinen Augen. Die Ältesten aller Djinn hatten das Zepter in seine Obhut gegeben, und er war dafür verantwortlich,
dass es für alle Zeiten in der Höhle blieb. Er ließ das ganze Dorf danach suchen. Ich verstand die Aufregung nicht und fragte ihn nach dem Grund. Da erzählte er mir zum ersten Mal von der wahren Macht des Zepters, und ich begriff, was ich angerichtet hatte. Trotzdem verriet ich keinem, wo es sich befand. Ich war davon überzeugt, dass es bei Antonius in guten Händen war.«
»Wenn das Zepter so gefährlich ist, wieso hatte dein Volk es nicht längst zerstört?«, fragte Raoul.
»Niemand weiß, wie Salomo das Zepter schuf«, antwortete Jada. »Vermutlich bekam er Hilfe von abtrünnigen Djinn, die es mit der kunstvollsten und mächtigsten Magie meines Volkes füllten. Als die Ältesten das Zepter an sich brachten, erkannten sie, dass es einzigartig war. Sie fürchteten es, aber sie bewunderten es auch und brachten es nicht über sich, ein solches Meisterwerk zu zerstören.«
Ihr Blick wandte sich wieder dem Feuer zu, als sie fortfuhr. »Ich habe dir erzählt, dass die Djinn über das zweite Gesicht verfügen. Unsere besten
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