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Der Gesandte des Papstes

Titel: Der Gesandte des Papstes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Lode
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vergangenen Nächten hatte es einige Gelegenheiten gegeben. Wie so oft in seinem Leben hatte Matteo gewartet, bis eine bessere kam … und am Ende keine einzige genutzt.
    Vielleicht wollen sie keine Feiglinge in der Hölle, dachte er, während er sehnsüchtig zu den Flammen auf der anderen Seite der Schlucht starrte. Memmen wie ich widern gewiss sogar den Teufel an …
    Zu allem Überfluss war die Nacht sternklar. In seiner Heimat, in der Toskana, liebte er Nächte wie diese; hier verabscheute er sie. Über den wolkenhohen Bergen Armeniens war der Himmel so … nah. Matteo wurde unentwegt daran erinnert, wie klein, wie nichtig und schwach er war. Er konnte es gar nicht abwarten, dieses seltsame Land bald zu verlassen.
    Die Grenze, wenn schon nicht das Ende des Gebirges, konnte nicht mehr fern sein. Seit zwei Tagen schon folgte er den Sarazenen Richtung Südwesten. Nachdem er den Mongolen entkommen war, hatte er sich in den vulkanischen Felsen versteckt und war dem Reitertrupp zu Fuß und in sicherer Entfernung zu dessen Lager gefolgt. Dort kletterte er auf einen dichtbelaubten Baum in Sichtweite. Das Zepter glaubte er schon verloren, bis al-Munahid auftauchte. Matteo hätte nie gedacht, dass er diesem Teufel von einem Mann einmal dankbar sein würde. Gott allein wusste, wie der Söldner die Mongolen überredet hatte, das Zepter herzugeben. Als es abermals den Besitzer wechselte, schöpfte Matteo neue Hoffnung.
    Eine Zeitlang erwog er, Bazerat und die Hexe zu befreien, um ihnen die gefährliche Aufgabe zu überlassen, al-Munahid das Zepter abzujagen. Doch dann entschied er, die Sarazenen selbst zu verfolgen. Zum einen hatte er nicht die geringste Vorstellung
davon, wie er unbemerkt in das Jurtenlager gelangen könnte; zum anderen war es wohl das Beste, wenn die Mongolen Bazerat den Kopf abschlugen. Zwar tat ihm der junge Ritter leid, aber Matteo konnte sich keinen weiteren Gegner leisten. Allein die Sarazenen stellten schon ein nahezu unüberwindliches Hindernis dar. Und es ging um nichts Geringeres als sein Seelenheil.
    Er stahl ein Pferd, blieb den Söldnern hart auf den Fersen und entging mehr als einmal im letzten Moment der Entdeckung. Am ersten Tag kehrten sie zum verlassenen Lagerplatz der Mongolen zurück und durchsuchten dort die Gegend. Matteo begriff erst spät, was der Grund dafür war: Der gefangene Wesir war geflohen, und al-Munahid schien Schwierigkeiten zu befürchten. Matteo hatte alle Hände voll zu tun, den Reitern auszuweichen. Er dankte den Heiligen, als al-Munahid die Suche nach vielen Stunden abbrach und wieder den ursprünglichen Weg aufnahm.
    Nun kauerte er frierend hinter einer Dornenhecke und betete um den Mut, endlich das Zepter zu stehlen.
    Noch war es dafür zu früh; die Sarazenen würden frühestens in einer halben Stunde schlafen. Matteo zog die Satteltasche zu sich und suchte die Reste seiner Vorräte zusammen. Groß war seine Ausbeute nicht: ein harter Kanten Brot, eine Hand voll Brombeeren und Nüsse, zwei Streifen getrocknetes Hammelfleisch. Mehr hatte die Satteltasche nicht enthalten, als er geflohen war, und in den vergangenen Tagen hatte er noch keine Gelegenheit gehabt, seine Vorräte aufzufüllen. Er aß die Nüsse und Beeren auf und die Hälfte des Brots, wobei er jeden Bissen gründlich kaute, bevor er ihn herunterschluckte. Das Fleisch rührte er nicht an; Matteo wollte es erst essen, wenn ihm nichts anderes übrig blieb. Die Katharer glaubten, die Seelen Verstorbener suchten in Tierkörpern Zuflucht, weshalb sie es ablehnten, Tiere zu schlachten und zu verzehren. Die Knechte der Inquisition mit ihren Brandeisen und Dornenpeitschen hatten
ihn dazu gebracht, der Lehre, der er zehn Jahre gefolgt war, abzuschwören, wieder und wieder, bis schon der bloße Gedanke an ein katharisches Gebet genügte, dass ihm vor Entsetzen der Schweiß ausbrach und seine Narben zu schmerzen begannen. Matteo hatte das Kruzifix und den Ring des Inquisitors geküsst und versucht, ein ganzes Jahrzehnt seines Lebens zu vergessen. Es erstaunte ihn selbst, wie gut ihm das gelang. Doch seine Achtung vor Tieren und die Abneigung gegen Fleisch saßen so tief, dass er nichts dagegen ausrichten konnte.
    Wenigstens musste er jetzt niemandem mehr etwas vormachen und sich zwingen, Fleisch zu essen. Er schlug die Streifen wieder in das Tuch ein und verstaute es in der Satteltasche. Einige Nüsse hatte er aufgehoben. Matteo schob sich eine in den Mund, zählte auf Griechisch bis zweihundert und aß dann die

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