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Der Gesang der Hölle: Kommissar Kilians vierter Fall

Der Gesang der Hölle: Kommissar Kilians vierter Fall

Titel: Der Gesang der Hölle: Kommissar Kilians vierter Fall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roman Rausch
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etwaige Spurenaufnahme zu dem oder den Tätern zunichte. War es schon bei einem Treppenhaus schwierig, eine Einschätzung über mögliche Fluchtwege zu geben, so war es bei einem zweiten Treppenhaus schier unmöglich.
    Wie Jeanne es ihm beschrieben hatte, musste er zum ersten Treppenhaus gehen und dort eine Wendeltreppe benutzen. Er trat hinaus in den Schnürboden und kam sich wie auf einem überfüllten Dachspeicher vor. Jeder verfügbare Raum war mit Kabeln, Halterungen, Gestängen und Scheinwerfern ausgefüllt. Lediglich von der Mitte des Schnürbodens aus drang Licht von unten nach oben. Kilian blickte hinunter und schreckte sofort zurück. Da ging es drei Stockwerke in die Tiefe, direkt auf die Bühne. Seine Füße bewegten sich auf einem schmalen rostähnlichen Gitter, das im Viereck den gesamten Trakt umlief. Ein Handlauf gab ihm die notwendige Sicherheit, bei einem Fehltritt nicht rund zwanzig Meter tief zu fallen. In so einem Falle hätte er Bekanntschaft mit zig Scheinwerfern, Zügen und Gestängen gemacht. Eine nahezu unüberschaubare Anzahl davon befand sich zwischen ihm und der Bühne. Man musste entweder ein Gedächtnisgenie sein, um sich Ort und Funktion jedes Gegenstandes zu merken, oder man brauchte die Hilfe eines Computers, um sich hier oben zurechtzufinden.
    Kilian ging vorsichtig weiter, er achtete darauf, dass er nichts berührte, womit er eine Aktion auslösen würde, die er nicht unter Kontrolle hatte. Sollte doch etwas passieren, stünde er hier oben auf einsamem Posten, niemand war zu sehen, alles war ruhig. Diesen Umstand hätte sich auch der Täter zunutze machen können, sofern er wusste, dass zu einer bestimmten Zeit der Schnürboden verlassen war. Und wenn nicht, dann gab es hier oben einige Ecken, die einem Erwachsenen durchaus als Versteck dienen konnten.
    Als er auf der gegenüberliegenden Seite angekommen war, erkannte er einen dieser Züge, an dessen Ende eine Querstange aufgehängt war. Ob es dieselbe war, die beinahe Raimondis Schicksal besiegelt hätte, konnte er nicht sagen. Er betrachtete sich die einfache Technik. Es war bis auf einen Schnappverschluss, der das Seil bremsen würde, falls es unkontrolliert in Richtung Bühne raste, nicht sonderlich aufschlussreich. Man brauchte aber zwei Hände, um einen solchen Zug als gezielte Waffe benutzen zu können. Einen Unfall konnte er ausschließen. Auf Raimondi war somit vorsätzlich ein Anschlag verübt worden. Das stand außer Frage.
    Etwas passte jedoch nicht. Warum hatte sich der Täter nur solche Mühe gegeben, mit einem Seil und einer Querstange als Pendel Raimondi von der Bühne zu fegen. Einfacher wäre es gewesen, etwas Schweres hinunterfallen zu lassen. Mit etwas Glück traf man die richtige Person. Oder war Raimondi gar nicht gemeint? Hatte es der Täter auf jemand anderes abgesehen? Hatte es den Falschen getroffen?
    Kilian rief sich in Erinnerung, wer zum betreffenden Zeitpunkt auf der Bühne war, wer ein mögliches Ziel darstellen konnte. Außer Raimondi, Jeanne und einer unüberschaubaren Anzahl an Bühnenarbeitern konnte niemand anderes gemeint gewesen sein. Er setzte sich vorsichtig auf den Laufsteg, ließ seine Beine ins Nichts hängen und dachte nach.
    Wie er es auch drehte und wendete, niemand anderer als Raimondi wollte ihm einleuchten. Blieb also nur der Modus Operandi – das Pendel anstatt eines tödlichen Geschosses von oben. Wieso hatte der Täter diese Vorgehensweise gewählt?
    Er wurde in seinen Überlegungen von einer aufkommenden Unruhe unter ihm erfasst. Er schaute hinunter und erkannte, dass sich die Bühne mit Schauspielern füllte. Und dort erkannte er auch Raimondi. Er stand genau unter ihm. Sofern er für eine Sekunde auf seiner Position verharren würde, wäre jetzt die beste Gelegenheit, ihn mit einem schweren Schraubenschlüssel oder sonst einem Gegenstand, den man vorsorglich mitgebracht hatte, zu erledigen. Das Pendel war absoluter Blödsinn. Das stand fest.
    Raimondi fiel ihm ein und der Anschlag in der Semperoper. Hatte er das alles selbst inszeniert? Und wer war dabei sein Helfer?
    Er raffte sich auf und tastete den Weg zurück, den er gekommen war. Das tat er unbemerkt und unerkannt von den Leuten tief unter ihm. Das musste auch der Täter gewusst haben. Fragte sich nur noch: Wie konnte er sich unerkannt oder zumindest unauffällig unter die Angestellten mischen?
    Im Treppenhaus machte er kurz Halt, lauschte, ob jemand nach oben kam. Es war nichts zu hören, und so stieg er die Stufen nach

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