Der Gesang des Wasserfalls
Madison hatte Schwierigkeiten, ihrer aufgewühlten Gefühle Herr zu werden. Als sie schließlich sprach, zitterte ihre Stimme. »Und was ist mit den Träumern, Antonio? Den Menschen, die von einer besseren Welt träumen?«
Sie erwartete keine Antwort, warf ihm nur einen Blick zu, der besagte, sie habe genug gehört, und ging zu ihrem Auto. Sie war nur ein paar Schritte gegangen, als Antonio ihr nachrief.
»Madison.«
Sie blieb stehen und drehte sich zu ihm um.
»Madison, ich habe mal gelesen, dass in einer korrupten Gesellschaft die Menschen, die sich eine bessere Welt erträumen – wie Sie und Xavier – potentiell die mächtigsten sind. Vielleicht werden Ihre Träume für Guyana eines Tages wahr. Viel Glück, Madison.«
Er winkte ihr kurz zu und ging dann an der Mole entlang zu seinem Wagen. Er sah sich nicht mehr um.
Madi öffnete die Autotür und schaute zurück zu der alten Mole, die mit Graffiti und Slogans bemalt war. Die Lichter des Pessaro Hotels, das kleine Licht auf dem Fernsehturm von Guyana und der Schein des alten Leuchtturms warfen einen schwachen Schimmer auf das träge schwappende braune Meer.
Sie wusste, dass sie eines Tages im hellen Sonnenlicht an einem der weißen Strände Sydneys stehen würde, vor sich das leuchtende Blau und die weißen Schaumkronen des Pazifiks, und eine tiefe Sehnsucht nach diesem trüben Wasser an dieser Mole, dieser eigenartigen Stadt und diesem wunderbaren Land empfinden würde.
Ein verschlafener Singh öffnete ihr das Tor mit einem breiten Lächeln. »Es is schön, Sie zu sehn, Miss Madison. Wie geht's Ihnen?«
»Geht so«, sagte Madi und merkte, wie vertraut ihr die Dienstbotensprache geworden war. »Und dir?«
»Gut. Geht mir gut. Mr. Matthew is oben.« Singh öffnete die Haustür und machte das Licht für sie an.
»Bist du das, Schwesterchen?«, rief Matthew. »Connor hat angerufen und gesagt, du seist auf dem Weg hierher. Wo warst du?« Er küsste sie liebevoll. »Tasse Tee oder lieber ein Glas Rum?«
»Ach, was soll's. Einen Rum. Von dem zehnjährigen.«
Als sie sich gesetzt hatten, sah er sie prüfend an. »Hast wohl ein bisschen nachgedacht, was? Connor sagte mir, du seist etwas durcheinander.«
»Nicht so sehr das, eher ernüchtert, härter geworden, resignierter, aber trotzdem entschlossen. Prost.« Sie nahm einen großen Schluck von dem samtigen, aromatischen Rum.
»Wieso das? Es läuft doch alles bestens. Connor und ich haben über Xaviers Ideen gesprochen. Weißt du, zu welchem Schluss wir gekommen sind? Dass er vielleicht eine neue Partei gründen und eines Tages das Land regieren wird.«
»Also hat er den ganzen Druck nur benutzt, um seine eigene politische Karriere zu fördern? Das kann ich nicht glauben.«
»So hat es vermutlich nicht angefangen, aber wie soll er es sonst schaffen, das Leben seines Volkes zu verbessern?« Als Madi nicht antwortete, fügte er hinzu: »Wie auch immer, bis dahin ist es noch ein weiter Weg, und wir werden alle längst von hier fort sein. Veränderungen vollziehen sich nur langsam in Ländern wie diesem. Und wo wir gerade von Veränderungen sprechen, ich verrate dir jetzt ein Geheimnis. Wir haben einen potentiellen Käufer für Guyminco.«
Madi sah erfreut aus. »He, Matt, das ist ja prima. Ihr Jungs von AusGeo habt das also hingekriegt. Und das auch noch in relativ kurzer Zeit.«
»Behalt es für dich. Es gibt noch Probleme, die hoffentlich auf der Konferenz in
New Spirit
ausgebügelt werden.«
»Ach ja, der große Spieltisch, an dem alle Krieg führenden Parteien ihre Einsätze machen.«
»Du brauchst gar nicht so zynisch zu sein. Es ist kein Spiel, da werden wichtige Vereinbarungen getroffen.«
»Und wer ist nun dieser geheimnisvolle Käufer? Weiß er, was in diesem Land auf ihn zukommt?«
»Selbstverständlich, er ist ja bereits hier.« Matthew grinste. »Es ist die Gesellschaft, die die Kolumbus-Goldmine betreibt. Die USA sind begierig darauf, ihre Rolle in diesem Land zu stärken, und Kolumbus ist bereits im Spiel, also wissen sie, auf was sie sich einlassen.«
Madi fragte sich, ob diese Nacht womöglich noch mehr Überraschungen bereithielt. Sie rief sich die erste Party, die sie hier besucht hatte, ins Gedächtnis und die Erklärung des amerikanischen Botschafters, dass Amerika sehr interessiert daran sei, seine kommerzielle Präsenz zu verstärken.
»Die Kolumbus-Mine, nach allem, was passiert ist?«, fragte sie fast ungläubig.
»Es ist ein absolut sauberes Geschäft, und der
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