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Der Gesang des Wasserfalls

Der Gesang des Wasserfalls

Titel: Der Gesang des Wasserfalls Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Di Morrissey
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Dachrestaurant, von dem aus weitere Hotels, ein Einkaufszentrum und wartende Flugzeuge zu sehen waren. In der Ferne die Stadt Miami, die sie überhaupt nicht ansprach. Madi warf einen Blick in die Speisekarte, die
Tex Mex, Surf and Turf
und eine Auswahl an Chiliburgern anbot, und spürte, wie eine Depression in ihr hochkam. So hatte sie sich den Beginn ihres großen Abenteuers nicht vorgestellt. Dann riss sie sich zusammen und fragte sich, warum sie diese Reise als großes Abenteuer betrachtete. Sie würde ihren Bruder besuchen, der sich zufällig in einem ihr bis jetzt unbekannten karibisch-südamerikanischen Land befand, das sehr merkwürdig zu sein schien und eine turbulente Geschichte hatte.
    Madi bestellte ein Omelett mit Salat und ein Glas Wein, während der vom Sonnenuntergang gerötete Himmel zu einer dunstigen Abenddämmerung verblasste und sie über das Reisen nachdachte. Reisebücher hatten sie stets fasziniert. Am liebsten mochte sie die von reisenden Frauen aus der viktorianischen Zeit geschriebenen Bücher. Ihr erstes hatte sie an einem Samstag gefunden, als sie in einem Antiquariat herumstöberte. Seither hatte sie eine ganz hübsche Sammlung zusammengetragen.
    Ihr Hobby hatte ihr eine erfreuliche Ablenkung geboten, während Geoff seine CD s anhörte, und ihren Bedarf an Unterhaltung, die doch nur zum Streit führte, auf ein Minimum beschränkt. Ihre Freunde hatten sich über ihren literarischen Geschmack lustig gemacht, hörten aber gelegentlich gern Anekdoten über Frauen wie Beatrice Grimshaw in Papua Neuguinea oder Jeanne Bare, die als Mann verkleidet im achtzehnten Jahrhundert mit dem französischen Botaniker Philibert de Commerson in See gestochen war, oder auch die Abenteuer und Berichte von Mary Kingsley, Isak Dinesen und Violet Cressy-Marcks.
    Diese Frauen hatten in Madison eine Leidenschaft für Reisen zu exotischen Zielen geweckt. Sie hatte Matthew einmal gesagt, sie sei ein Jahrhundert zu spät geboren und hätte eine wunderbare, unerschrockene Reisende abgegeben, hätte vielleicht unentdeckte ägyptische Grabmähler aufgespürt, am Amazonas Schmetterlinge gejagt oder Stämme, die noch wie in der Steinzeit lebten, in unzugänglichen Dschungeln und Wüsten studiert. In einem Flughafenhotel außerhalb von Miami zu sitzen war nicht dasselbe. Aber trotzdem musste eine Reise ja irgendwo beginnen, dachte sie vernünftig. Und die wichtigen Reisen ihres Lebens hatten fast alle mit einer gewissen Zaghaftigkeit begonnen.
    Sie rief sich in Erinnerung, wie sie mit zitternden Knien zum Auto gegangen war, als sie mit ihrer Ehe Schluss gemacht hatte, und wie nervös und unsicher sie sich gefühlt hatte, als sie am nächsten Tag am Manly Beach entlang wanderte. Zuerst hatte sie sich gewünscht, sie wäre früher aus ihrer Ehe ausgebrochen. Aber dann hatte sie sich die buddhistische Auffassung zu eigen gemacht, nach der jede Erfahrung als ein fortlaufender Prozess zu betrachten ist, der nicht unbedingt Anfang und Ende haben muss. »Lass dich mit dem Strom treiben«, hatte ihre Mutter gesagt, als sie darüber sprachen, was sie tun sollte, nachdem sie Geoff verlassen hatte. Sie beschloss, dass diese Einstellung auch jetzt vonnöten war – sie musste loslassen. Madi entspannte sich endlich und bestellte ein zweites Glas Chardonnay.
     
    Der Flug war nicht sonderlich angenehm. Eingeklemmt zwischen zwei gewichtigen Jamaikanern, die mit einem breiten Akzent voller Reggaerhythmen und »Mann« und »eh« über sie hinwegredeten, sackte Madison im Sitz zusammen und schlief bis zur Landung in Trinidad. Als die Männer nach ihren Hüten und Taschen griffen, lächelten sie Madi breit an.
    »Viel haben Sie ja nicht zur Unterhaltung beigetragen, Mary.«
    »Aber es war nett, mit Ihnen zu schlafen«, witzelte der andere.
    Madison konnte nicht anders und lächelte zurück.
    Der Zwischenstop dauerte nur fünfundvierzig Minuten, und da der dunkle Himmel jede Aussicht verschluckt hatte, beschloss Madison, ihren Sitz nicht zu verlassen.
    Die Stewards, schlank, dunkelhäutig und gut aussehend, verströmten einen warmherzigen Charme. Madison fiel ihre liebevolle Körperlichkeit auf. Sie berührten die Fluggäste – diskret und unaufdringlich –, tätschelten hier einen Arm, rückten dort sanft einen Kopf auf dem Kissen zurecht, und wenn sie mit einer ihrer Kolleginnen sprachen, drückten sie ihr freundlich den Arm oder berührten ihre Hand, um das Gesagte zu unterstreichen. Das war so erfrischend im Vergleich zu dem glatten

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