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Der Gesang des Wasserfalls

Der Gesang des Wasserfalls

Titel: Der Gesang des Wasserfalls Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Di Morrissey
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der Madison zum Lächeln brachte. »'ne echte Koloniallady, das is mal sicher.«
    »Koloniallady?«, fragte Madison.
    »O ja. Guyaner kennen sich mit Kolonialleuten aus«, lachte er. Madison ging nicht auf die Bemerkung ein, ahnte aber, dass etwas dahinter steckte, was sie nicht verstand. »Wolln Sie so wie diese Lady sein?«, fragte er lächelnd.
    Madison reagierte etwas gereizt auf die Frage, nicht so sehr, weil sie etwas leicht Absurdes implizierte, sondern weil Lester offenbar ihre Gedanken gelesen hatte. Ja, diese Frau gefiel ihr auf Anhieb, oder doch zumindest der eindeutige Individualismus und das Gefühl von Abenteuer, das von dem Foto ausging. »Warum nicht?« fragte sie, sah ihm in die Augen und schloss das Buch fester, als sie beabsichtigt hatte.
    »Ohhh«, säuselte er und hob die Hände in gespielter Abwehr vors Gesicht. »Wenn Sie wirklich in den Dschungel wolln wie diese Lady, dann gehn Sie nur. So tun Sie das Land wirklich kennenlernen. Machen Sie's wie diese Koloniallady«, fügte er hinzu und wechselte rasch das Thema. »Wohn Sie das Buch ausleihn?«
    »Ja. Kann ich Bibliotheksmitglied werden?«
    »Nich nötig. Ich bin Mitglied. Sie können meine Karte nehmen.«
    Sie gingen nach unten zum Schalter, wo eine Handvoll Leute anstanden, um ihre Ausleihen registrieren zu lassen. »Sie sind ein erstaunlicher Mann, Lester.« Madison versuchte, sich einen Taxifahrer in Sydney vorzustellen, der ihr seinen Bibliotheksausweis lieh.
    »Nee, nee. Bin nur einer von den Glücklichen. Hab 'n bisschen Schulbildung, aber auch das Goldfieber. Taxifahrn kann ich, wann ich will. Vielleicht krieg ich auch mal das, was ihr Leute aus den reichen Ländern so viel habt – Ehrgeiz.« Er unterbrach sich und lächelte. »Aber vielleicht auch nich. Ehrgeiz is nich so wichtig in Guyana.«
    Die Bibliotheksangestellte prüfte sorgfältig das Buch und den Leihausweis und schaute von Madison zu Lester. Sie öffnete das Buch, um den Datumsstempel anzubringen, zögerte dann aber und blätterte zurück zum Foto der Autorin. Sie betrachtete es, grinste und blickte dann zu Madison auf. »He, wolln Sie auch nach Diamanten suchen?«
    Madison bemühte sich, gelassen zu bleiben. »Wer weiß? Könnte Spaß machen.«
    Schließlich wurde der Datumsstempel auf einen innen an den Umschlag gehefteten Papierstreifen gedrückt. Es war die erste Ausleihe des Buches innerhalb von dreißig Jahren.
    Beim Auto angekommen, öffnete ihr Lester die Tür. »Wenn Sie auf Diamantensuche gehn, tun Sie den Frosch nich vergessen.«
    Madison war etwas überrascht darüber, dass es ihm durchaus ernst damit war, und sie wollte ihn schon fragen, als er fortfuhr: »Wie wär's, Sie schaun sich 'ne echte Hängematte von hier an. Ideal fürn Diamantenpfad.« Er grinste und zuckte entschuldigend mit den Schultern, um der Stichelei die Schärfe zu nehmen. »Da können Sie gleich noch mehr Eingeborene sehn. Indios. Die liegen so viel in der Hängematte, müssen wissen, wie man sie macht.« Wieder lachte er. »Nennen sie Hammock. Is ein Wort vom Arawak-Stamm. Die ham die Baumwolle gesponnen, die Arecunas ham sie angebaut und die Macushi ham die Hammocks gemacht. Jetzt wird das mehr in der Stadt gemacht«, fügte er hinzu.
    »Wird das lange dauern? Wie weit ist es? Nicht außerhalb der Stadt, hoffe ich?«
    »Nee. Ich fahr Sie zum Indiohospiz, wo die Indios bleiben, wenn sie in Georgetown sind. Noch genug Zeit bis zum Lunch.« Er öffnete beide Hände zu einer Geste der Offenheit. »Vertraun Sie mir.«
    Madison musste einfach lächeln und stimmte zu. »Na gut. Übernehmen Sie die Führung. Sie haben mich bisher noch nicht in die Irre geführt.«
    Sie verließen die Hauptstraßen und fuhren durch schmale Gassen, die mit Schlaglöchern und Abfall übersät waren. Der Geruch nach Armut wehte ins Auto, das fürchterlich zu scheppern begann, obwohl Lester sich bemühte, den schlimmsten Schlaglöchern auszuweichen. Madison fühlte sich veranlasst, die Stimme zu heben. »Was genau ist ein Indio?«, rief sie über das Scheppern hinweg.
    »Ah, ich geb Ihnen noch 'ne Lektion, diesmal darüber, von wo die Eingeborenen herkommen. In der Schule hab ich gelernt, dass die Indianer aus Asien nach Amerika gekommen sind, über die Beringstraße, die wo damals 'ne Art Brücke zwischen den Kontinenten war.«
    »Das muss aber schon sehr lange her sein.«
    »Viele tausend Jahre … und sie kamen weiter nach Süden, bis sie in Südamerika warn. Über die Jahrhunderte ham sich überall Indiokulturen

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