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Der Gesang des Wasserfalls

Der Gesang des Wasserfalls

Titel: Der Gesang des Wasserfalls Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Di Morrissey
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Oberst kam zu ihnen herüber. »Jetzt hör aber auf, hier Hof zu halten, Annabel, und Madi zu langweilen. Hier ist dein Drink.« Er reichte Lady Annabel ein Glas Cola mit Rum. »Noch etwas Punsch, Madi? Oder etwas anderes? Wir haben Schnäpse, Bier …«
    »Ein kaltes Bier wär mir am liebsten. Dieser Punsch steigt einem leicht zu Kopf.«
    »Alles steigt einem hier zu Kopf«, bemerkte Lady Annabel. »Das gehört zum Zauber von Guyana … das Unvorhersehbare.«
     
    Beim Lunch saßen sie an zwei großen Tischen, die auf der Veranda aufgebaut worden waren. Mit der kühlen Brise vom Fluss wehte Jasminduft zu ihnen herauf. Aradna trug große Platten mit gebratenem Fisch, wohlschmeckendem Reis, Spinatsalat und frittierten Plantains auf. Dazu gab es gute französische und amerikanische Weine, später dann Brandy und Portwein zu einer Kokosnuss-Mousse, serviert in Muschelschalen und besprenkelt mit bunten Kokosflocken.
    »Wenn das ein zwangloser Wochenend-Lunch ist, was tischen Sie dann zu formelleren Gelegenheiten in der Stadt auf?«, fragte Kevin, lehnte sich auf seinem Stuhl zurück und genoss seinen Port.
    »Der Unterschied besteht darin, dass Sie mir in Georgetown zuhören müssen, wie ich bei Brandy und Zigarren große Reden schwinge, während Ihnen hier erlaubt ist, sich in die nächste Hängematte zu verziehen«, witzelte der Oberst.
    Die Gruppe verteilte sich langsam. Lady Annabel zog sich in ihr Schlafzimmer zurück, die anderen gingen auf ihre Zimmer oder suchten sich schattige Plätze im Garten, wo Hängematten aufgespannt waren und Liegestühle mit Blick auf den Fluss standen.
    »Wir wollen
Mah-jong
oder vielleicht auch Karten spielen«, sagte eine der jungen Damen, und Viti und Sharee waren rasch bereit mitzumachen.
    Antonio schlenderte mit zwei der höheren Beamten zu einer Gruppe von Stühlen am anderen Ende des Gartens.
    Matthew und Kevin beschlossen, sich den Frauen anzuschließen.
    »Wie wär's mit einem Spaziergang?« fragte Connor.
    Madi nickte. »Ich muss mir nach diesem üppigen Lunch unbedingt die Beine vertreten.«
    »Bleiben Sie auf dem Weg«, riet ihnen der Oberst. »Da draußen kann es unangenehme Überraschungen geben!«
    Sie folgten dem Weg, der sich durch die gepflegten Gärten vorbei an den verstreuten Gästehäuschen schlängelte. »Ein ganz schön weiträumiges Gelände«, bemerkte Madi. »Was denken Sie, woher er das Geld hat?«
    »Bedarf das einer Frage? Also, was halten Sie von unserem Gastgeber, dem Oberst, und seinen Freunden?«
    Madi wurde einen Moment lang nachdenklich. »Nun ja, ich kenne mich mit Land und Leuten hier nicht so aus wie ihr Jungs, aber unterschwellig spüre ich, dass da etwas Merkwürdiges abläuft. Ich muss sagen, ich fühle mich nicht so ganz wohl.«
    »Sie haben es also auch gespürt. Ich nehme an, das ist der Geruch von Macht und Korruption. Diese Kerle können alles erreichen, was sie wollen. Ich bin überzeugt davon, dass sie vor allem darauf aus sind, so viel wie möglich abzusahnen.«
    Madi sah fragend zu dem neben ihr gehenden Mann auf. »Das scheint Sie aber nicht allzu sehr zu stören, oder?«
    »Ich habe das schon so oft erlebt, immer und immer wieder. Ist wohl der Lauf der Welt, oder zumindest eines großen Teils davon. Macht korrumpiert. So war es immer und so wird es immer sein. Und in einem Treibhausklima wie dem hiesigen ganz besonders. Gedeiht so üppig wie der Regenwald.«
    »Und das beunruhigt Sie nicht?«
    »Natürlich, Madi. Aber es gibt nur wenig, was ich dagegen machen kann, außer zu versuchen, bei den Abschlüssen, mit denen ich zu tun habe, so korrekt wie möglich vorzugehen, aber selbst da wird letztlich ein bisschen gemauschelt werden, da können Sie sicher sein.«
    »Wie der Oberst … immer um das eigene Wohl besorgt. Sie haben wohl Recht. In gewissem Maße wird das überall so sein, nehme ich an. Es kommt mir nur so geschmacklos vor, wenn es gleichzeitig arme Leute gibt, die sich darum bemühen, ihren Kindern eine bessere Chance zu geben. Menschen wie die Indios, zu denen Lester mich mitgenommen hat. Das sind gute Menschen, aber sie kommen nicht voran, weil sie nicht zum System gehören.« Sie gingen eine Weile schweigend weiter, dann fuhr Madi fort: »Es kommt mir alles so falsch vor, wenn ich euch Männer ständig nur vom Reichtum dieses Landes reden höre.«
    Connor legte ihr den Arm um die Schultern, eine fast versöhnliche Geste. »Das ist alles nur oberflächlich, nur überdeckt durch so seltene Tage wie diesen. Wir versuchen

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