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Der Geschmack von Glück (German Edition)

Der Geschmack von Glück (German Edition)

Titel: Der Geschmack von Glück (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer E. Smith
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Häuschen.

  
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Von:            [email protected]
Gesendet:   Montag, 10. Juni 2013 19:24
An:              [email protected]
Betreff:       Re: falls du dich verläufst …
Ich bin auf dem Weg. (Und glaub mir, ich habe mich kein bisschen verlaufen …)

zehn
    Seit einer Stunde wanderte Graham durch die Straßen Henleys. Als er Ellie erzählt hatte, er müsse noch zurück ins Hotel und ein paar Sachen checken, da hatte er gelogen. Er wollte ihr nur Zeit geben, alles vorzubereiten. Denn kaum war ihr die Einladung zum Abendessen über die Lippen gekommen, da merkte er, dass sie es vielleicht schon bereute.
    Er hätte ihr gleich auf der Stelle sagen sollen, sie brauche sich keine Sorgen zu machen, als sie noch zusammen am oberen Ende des Sunset Drive gestanden hatten und das Licht des Spätnachmittags so durch die Blätter gefallen war, dass es die Sommersprossen auf ihrer Nase hervorgehoben hatte. Er wünschte, er hätte ihr gleich da erzählt, dass er in einem Haus aufgewachsen war, das kaum größer als ihres war, einem Haus, in dem die Badezimmerkacheln bröckelten, in dem der Keller komisch roch, in dem die Treppe jedes Mal einen regelrechten Chorgesang aus Ächzen und Knarren anstimmte, wenn jemand wagte, sie zu betreten.
    Er hätte ihr sagen sollen, dass seine Eltern immer noch darin wohnten, aber dass seine Mutter jetzt, wenn er zu Besuch kam, das Haus in Schuss brachte, als habe sich ein hoher Würdenträger oder ein lang verschollener Verwandter angekündigt, den Blumen auf der Fensterbank oder ordentlich gefaltete Handtücher beeindrucken könnten; alles, um das wahre Wesen des Hauses zu verschleiern, es unkenntlich zu machen, obwohl Graham doch genau das Gegenteil wollte: wieder nach Hause finden.
    Doch die Worte waren ihm nicht über die Lippen gekommen. Er hatte sich so daran gewöhnt, solche Gedanken für sich zu behalten, dass er wohl nicht mehr fähig war, sie mit jemandem zu teilen.
    In der Stadt lief er mit gesenktem Kopf an kleinen Touristengrüppchen vorbei, die vor den Restaurants Speisekarten studierten. Am Ende der Straße lag der stille Filmset, standen die massigen Wohnwagen, dunkel und leer. Sie hatten längst Schluss gemacht für heute, doch Graham wusste, Mick sauste noch irgendwo herum, ging das Drehbuch durch, prüfte die Ausstattung für die morgige Szene – die erste, die sie auf dem Wasser drehen sollten.
    Als er am Haushaltswarenladen vorbeikam, vor dem so ein altmodisches automatisches Pferd stand, bemerkte er ein Schild im Fenster, auf dem die Feierlichkeiten zum 4. Juli angekündigt wurden, und er blieb stehen, um sich das genauer anzusehen. Anscheinend gab es jedes Jahr ein Stadtfest mit Konzert und Grillen, danach Tanz und Feuerwerk, und Graham konnte es sich fast schon vorstellen: die Straßen voller Menschen, Kinder mit Wunderkerzen, Musik in der Luft. Das erinnerte ihn an die Feiern in seiner Heimatstadt, und er dachte an die Paraden, die er als Kind mit seinen Eltern angeschaut hatte, als sie alle drei mit Fahnen gewedelt hatten, wenn die Kapellen vorbeimarschierten.
    Er war schon den halben Weg bis zu Ellies Haus gegangen, als ihm auffiel, dass er dann noch in Henley sein würde. Die Produktion zog erst ein paar Tage nach dem Vierten wieder zurück nach L.A., und Graham hatte zwar den genauen Drehplan nicht im Kopf – hatte im Grunde noch kaum drauf geschaut –, doch er war sicher, dass sie am Feiertagswochenende wenigstens ein bisschen freihatten.
    Ehe er sich die Sache anders überlegen konnte, zog er sein Handy aus der Tasche und rief seine Eltern an. Während es klingelte, ging er all die Möglichkeiten für das Wochenende in seiner Fantasie durch, und er musste lächeln. Seine Eltern hatten ihn erst ein einziges Mal am Set besucht, ganz zu Anfang, bei einer seiner ersten Szenen, die im Studio in Los Angeles gedreht worden war. Mit ihren Zopfmuster-Pullis und Brillen wirkten sie hoffnungslos deplatziert, seine Mutter zitterte wegen der Studiokälte, und sein Vater blinzelte wegen der grellen Scheinwerfer. In einer Drehpause hatte seine Mutter ihn auf die Wange geküsst und erklärt, es ginge ihr nicht so gut. Graham hatte ihnen mit dem bleiernen Gefühl hinterhergeschaut, dass zwischen ihnen schon ein Graben entstanden war.
    Aber das hier wäre anders. Er konnte sie herumführen, sie mit seinem Wissen über das Filmemachen beeindrucken, und sie könnten ihnen beim Drehen zugucken, an einem Ort, an dem sie sich bestimmt

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