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Der Geschmack von Sommerregen (German Edition)

Der Geschmack von Sommerregen (German Edition)

Titel: Der Geschmack von Sommerregen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julie Leuze
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drücke auf den Knopf unter »A. Meindl«.
    Keine Reaktion.
    Ich schaue auf meine Armbanduhr. Es ist Nachmittag, vielleicht erledigt sie ihre letzten Einkäufe für den Sonntag?
    Oder sie ist nicht da. Den ganzen Tag nicht. Morgen nicht. Ich bin umsonst gekommen. Keine Fragen, keine Antworten, nicht für mich, nicht für Lena, nicht für Mattis … Mattis, ach Mattis!
    Wie lange es wohl dauert, bis man es schafft, sich zu entlieben? Was mich betrifft, ist die Antwort klar: eine Ewigkeit. Denn nie, nie werde ich über Mattis hinwegkommen. Aber wie wird es bei ihm sein? Wenn ich morgen nicht mit Antworten aufwarten kann, weil meine Oma nicht da ist – werden seine Gefühle für mich dann einfach sterben? Sind sie schon gestorben? Oder quält er sich genauso wie ich? Leidet er, hofft er, brennt er nach mir, so wie ich nach ihm?
    Staub und Graubraun überziehen meinen inneren Monitor, und mein Magen verknotet sich. Mir fällt wieder ein, dass ich nicht nur Liebeskummer, sondern auch einen Kater habe und nichts im Magen, abgesehen von einer Tasse Tee und einem trockenen Toast. Ich schließe die Augen, atme die Übelkeit fort. Zwinge mich, die Hoffnung auf eine Versöhnung mit Mattis nicht aufzugeben.
    Als es mir besser geht, drücke ich noch mal auf den Klingelknopf. Besser gesagt, ich klingele Sturm, denn wenn Oma Anne nicht da ist, ist es sowieso egal, und wenn sie da ist … Dann wird sie bei diesem Klingelangriff hoffentlich, hoffentlich begreifen, dass hier draußen ein Notfall steht. Nämlich ich.
    »Hallo?«, ertönt es aus der Sprechanlage.
    Vor Erleichterung kriege ich weiche Knie. Sie ist da.
    »Sind Sie Anne Meindl?«, frage ich dünn, weil ich noch nicht glauben kann, dass ich so kurz vor dem Ziel bin. Irgendetwas wird noch schieflaufen, ganz bestimmt. Es könnte die Putzfrau sein, die »Hallo« gesagt hat (aber haben Leute in einem so verwahrlosten Haus eine Putzfrau?), oder die Untermieterin, oder …
    »Ja, die bin ich«, sagt die Stimme. »Und wer sind Sie?«
    Ich schlucke.
    Balle meine Fäuste.
    Und beschließe, dass die Zeit für Verstellung, Lügen und Ausflüchte endgültig vorbei ist. Ich werde nichts mehr vor mir herschieben. Und deshalb sage ich schlicht: »Ich bin Ihre Enkelin.«
    Eine unheimliche, zeitlose Minute lang ist alles still. Still in mir, in der Sprechanlage, sogar um mich herum. Ich nehme nichts mehr wahr, nichts außer der Stille, die sich ausdehnt, denn ich weiß, nun entscheidet es sich. Und dann summt der Türöffner, während aus der Sprechanlage gleichzeitig ein ersticktes »Meine Güte! Komm … Komm hoch, ich komm dir entgegen, ich … Komm rein. Komm rein!« ertönt.
    Die vielen »komm«s entlocken mir ein Lächeln und ein paar spontane Tränen, sie fühlen sich nach Sehnsucht an, nach Zueinanderstreben, und ich fasse neuen Mut, als ich die schwere Tür aufdrücke und in das dämmerige Treppenhaus trete. Ich steige die Treppe hoch, höre das Klappern von Absätzen, die einige Stockwerke über mir die Stufen herunterhasten, und ich denke verwundert, dass ich die Farbe in meinem Inneren, die Farbe des Muts, noch nie bewusst wahrgenommen habe. Aber heute sehe ich sie, und sie ist wunderschön: ein rosa überhauchtes Weiß. Wie Schnee in der Abendsonne.
    Ich hoffe nur, ich kann mir dieses Weiß erhalten, wenn ich meiner Oma gegenüberstehe. In wenigen Sekunden … Gleich … Jetzt.
    Die Frau presst beide Hände auf ihr Herz. Sie atmet schnell, ihre blauen Augen sind groß und spiegeln ihre Gefühle wider. Sie ist überrascht und überwältigt, vielleicht auch gerührt. Ich habe mir meine Oma anders, furchterregender vorgestellt, schießt es mir durch den Kopf, während wir stumm voreinander stehen und uns scheu mustern. Schließlich war sie immer das schwarze Schaf der Familie. Die Irre, die Gemeingefährliche.
    Vor mir aber steht keine Gruselfigur mit Messer in der Hand. Sondern eine Frau um die siebzig. Von zarter Statur, in langem, weinrotem Rock und kurzärmeliger, weißer Bluse. Mit kinnlangem Haar, bei dem man nicht erkennt, wo das Blond aufhört und das Grau beginnt. Ihr Gesicht ist faltig, aber hübsch, und sie trägt sogar Lippenstift, etwas, das Mama niemals tut.
    »Du bist meine … Enkelin?«, fragt die Frau, die meine Oma ist, und sie bemüht sich sichtlich, die Fassung zu bewahren. »Du bist wirklich meine Enkelin?«
    Ich nicke. »Mein Name ist Sophie Kirschner.«
    Oh Mann, es fühlt sich dermaßen komisch an, mich ihr vorzustellen, als sei sie meine neue

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