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Der Gladiator

Der Gladiator

Titel: Der Gladiator Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Vandenberg
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Arzt?« bohrte Mariamne. »Sagt mir die ganze Wahrheit. Ich bin stark genug, sie zu ertragen.«
    Vitellius und Tertulla sahen sich eine Weile an. Keiner brachte ein Wort hervor. Vitellius sagte schließlich: »Es ist die Pest. Aber der Arzt hat auch schon Pestkranke von ihrem Lager aufstehen sehen.«
    »Daran glaube ich nicht«, sprach Mariamne leise. »Ich habe den Kometen am Himmel gesehen, er hat das drohende Unheil verkündet. Du siehst, Vitellius, man kann die Parzen nicht ungestraft überlisten! Mir war der Tod schon damals, beim großen Stadtbrand, vorbestimmt; aber du hast mich gerettet. Jetzt haben mich die Schicksalsgöttinnen eingeholt.«
    »Sprich nicht weiter!« sagte Vitellius. »Solange du atmest, haben wir alle Hoffnung.« Dabei kämpfte er mit den Tränen.
    »Hör zu, Tertulla«, begann Mariamne und sah ihre Tochter an, »jetzt, da ich fühle, daß es mit mir zu Ende geht, will ich dir ein Geheimnis anvertrauen, das ich nicht mit ins Grab nehmen will. Du weißt, daß mein Verhältnis zu Pheroras mehr vom Verstand als vom Herzen geprägt war. Das lag nicht an mir. Trotzdem wird es dich in Erstaunen versetzen, wenn ich dir heute sage, daß Pheroras nicht dein Vater war.«
    Vitellius sah Tertulla an, weil er irgendeine Reaktion erwartete; doch Tertulla blickte starr vor sich hin. »Dein Vater ist tot, er starb beim großen Stadtbrand, es war Fabius«, fuhr Mariamne fort. »Ich habe ihn nie geliebt, aber ich habe ihn einmal begehrt. Ich glaube dir diese Erklärung schuldig zu sein.«
    »Danke, Mutter«, sagte Tertulla und begann zu schluchzen. Vitellius versuchte, sie zu trösten, aber Tertulla ließ ihren Tränen freien Lauf.
    »Ich schäme mich dieser Beziehung nicht«, sagte Mariamne und sah ihre Tochter an. »Aber ich habe nur einen Mann in meinem Leben wirklich geliebt, und der sitzt neben dir. Zwar hätte ich seine Mutter sein können, doch er war der einzige, der mir zu spüren gab, daß ich eine Frau bin.«
    Jetzt konnte sich auch Vitellius nicht mehr zurückhalten, er weinte wie ein Kind. Nur Mariamne blieb ruhig und flüsterte mit zusehends schwächer werdender Stimme: »Wenn ich den Schicksalsgöttinnen noch einen Wunsch abringen könnte, dann wüßte ich genau, was ich wollte …«
    »Sprich«, bat Vitellius, »was ist dieser Wunsch, und müßte ich mein Leben opfern, er soll dir in Erfüllung gehen.«
    »Mein letzter Wunsch ist«, sagte Mariamne leise, »daß du Tertulla zur Frau nimmst und so mit ihr umgehst, wie du mich behandelt hast. Versprich es mir.«
    Vitellius war auf vieles gefaßt, aber daß Mariamne ihn bitten würde, ihre Tochter zur Frau zu nehmen, damit hatte er nicht gerechnet. Der Vorschlag traf ihn zu unerwartet, als daß er hätte nein sagen können. Konnte er der todgeweihten Mariamne überhaupt etwas abschlagen, wo er ihr sogar den Einsatz seines Lebens versprochen hatte? Und so reichte er Tertulla die Hand und sprach mit einem traurigen Lächeln: »Wenn du es willst, dann soll dein Wunsch in Erfüllung gehen.«
    Da huschte ein entspanntes Lächeln über ihr Gesicht. Mariamne schloß die Augen und ihre Stimme klang unsagbar müde: »Weißt du, Vitellius, Tertulla ist zwar eine erwachsene Frau; aber wenn ich sterbe, braucht sie nötiger als je zuvor eine starke Hand. Sie kann das Unternehmen des Pheroras nicht alleine führen, das soll von nun an deine Aufgabe sein. Es soll dir gehören. Tertulla soll es besser gehen als mir nach Pheroras' Tod. Damals standen die Freier Schlange und machten mir Anträge. Dabei wollten sie mich nur als Dreingabe für mein Geld. Es war abscheulich zu beobachten. Wenn du, Vitellius, Tertulla zur Frau nimmst, dann herrschen klare Verhältnisse. Das ist mein einziger und letzter Wunsch.«
    Die Nacht verbrachten Vitellius und Tertulla abwechselnd wachend an Mariamnes Krankenbett. Als der Morgen graute, hörte man im Park der Villa laute Kommandorufe. Vitellius ging hinab und erkannte Tigellinus, begleitet von einer Horde Prätorianer. »Gegen Mariamne wird Anklage erhoben«, rief er in barschem Ton, »sie wird beschuldigt, an der Verschwörung beteiligt gewesen zu sein. Wo ist sie?«
    Vitellius winkte eine Sklavin herbei und befahl ihr, Tigellinus hinaufzuführen. Er selbst wartete im Park. Nach wenigen Augenblicken stürzten die Soldaten verstört aus dem Haus. »Sie ist tot«, riefen sie, während sie das Weite suchten, »ihr Götter seid uns gnädig.« Als Tigellinus an Vitellius vorbeilief, rief er ihm zu: »Dich kriegen wir auch noch,

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