Der Gladiator
Hund, er lebt zum großen Teil auf Pump. In seiner Not hat er bereits die Tributleistungen der Provinzen verdoppelt, was früher oder später wieder zu Aufständen führen wird. Seit neuestem betätigt er sich sogar als Großhändler: Er kauft in den Provinzen Stoffe und Geschirr en gros ein und veräußert sie mit hundert Prozent Gewinn an den römischen Einzelhandel. Sogar Staatsämter werden zum Kauf angeboten, und mancher eines Kapitalverbrechens Angeklagte läuft heute frei herum, weil er seinen Freispruch erkauft hat.«
»Seid froh, daß es so ist und nicht anders«, meinte der alte Valerius, »Tiberius soll annähernd drei Milliarden Sesterze in seinen Schatzkammern gehortet haben, der war auf keinen Geldverleiher angewiesen; nein, dieser Vespasian kann uns nur recht sein. Vespasian ist hinter dem Geld her wie der göttliche Cäsar hinter den Weibern. Neulich, im Theater des Marcellus, trat ein Schauspieler in der Maske des Kaisers auf und fragte die Prokuratoren, wieviel sein Begräbnis und der Leichenzug kosten würden. Sie antworteten: Zehn Millionen Sesterze! Da rief er aus: ›Gebt mir hunderttausend Sesterze und werft meine Leiche in den Tiber!‹«
Die drei schlugen sich vor Vergnügen auf die Schenkel. »Es muß uns nur gelingen«, sagte Metilius ernst, »diesen Gladiator auszubooten. Bisher fielen die großen Finanzierungsprojekte des Staates alle Vitellius zu. Er zahlt den wichtigsten höheren Beamten als Bestechungsgeld ein Zweitgehalt; zudem liegt er in seinen Zinskonditionen stets ein halbes Prozent unter unseren Angeboten, so daß er immer den Zuschlag erhielt. Zum erstenmal ist es uns gelungen, ihm beim Amphitheater zuvorzukommen. Wollen wir jetzt auch noch an ein großes Unternehmen wie den Bau der neuen Getreideflotte herankommen, müssen wir höhere Bestechungsgelder bezahlen als Vitellius und niedrigere Zinsen verlangen als der Gladiator. Dazu ist es notwendig, die Namen derer zu kennen, die von Vitellius regelmäßig geschmiert werden.«
Valerius tat einen tiefen Seufzer: »Das ist einleuchtend und gewiß der einzige Weg zum Erfolg. Nur sehe ich keine Möglichkeit, an die Namensliste heranzukommen. Schließlich können wir nicht allen Beamten Roms ein Zweitgehalt zahlen.«
»Nehmen wir einmal an«, meinte Metilius, »die Namen wären uns bekannt …«
»Wie sollten sie das«, fragte Pedanius erstaunt.
»Nun«, meinte Metilius genüßlich, »es gibt da schon Möglichkeiten.«
»Dann«, sagte Valerius, »würden wir den Betreffenden um die Hälfte mehr anbieten, statt tausend Sesterze fünfzehnhundert; seid versichert, sie würden alle auf unsere Seite überlaufen.«
»Allerdings«, fuhr Metilius fort, »müssen wir nicht nur das Projekt gemeinsam finanzieren, wir müssen auch die Aufwendungen für die Informationen und die Bestechungsgelder durch drei teilen. Und was die Informationen anlangt, so habe ich schon etwas vorfinanziert. Jedenfalls könnte keiner von uns allein die erforderlichen Mittel aufbringen, auch du nicht, Pedanius; aber zusammen winkt uns ein Geschäft, das uns künftig ermöglicht, auf die Vergabe von Kleinkrediten zu verzichten. Vitellius soll sehen, daß er es mit Fachleuten zu tun hat. Sind schon genauere Zahlen bekannt?«
Pedanius erklärte, er sei vor kurzem in den Thermen dem Flottenkommandanten von Misenum begegnet, der habe von sechzig bis achtzig Frachtschiffen gesprochen. Jedes dieser Oneraria solle eine Tragfähigkeit von 50.000 Talenten haben und eine Länge von 120 Ellen. Über die Kosten habe er noch nichts in Erfahrung bringen können.
Valerius nahm einen tiefen Schluck, setzte seinen Becher ab und meinte: »Es soll ja nicht unsere Sorge sein, aber geht der Kaiser nicht ein großes Risiko ein, wenn er so große Getreideschiffe bauen läßt? Schließlich ist doch bekannt, daß nur drei von vier Frachtern, die nach Ägypten auslaufen, zurückkehren.«
»Nein«, antwortete Pedanius, »das glaube ich nicht. Ein großes Schiff ist den Wogen des Meeres weit weniger ausgeliefert als eine Nußschale, die leicht zum Spielball der Wellen wird. Im übrigen machen große Schiffe weniger Fahrten als die vielen kleinen Schiffe, transportieren aber dieselbe Getreidemenge. Der Getreideverbrauch unserer Stadt liegt gegenwärtig bei zwanzig Millionen Talenten pro Jahr. Siebzehn Millionen werden aus den überseeischen Provinzen herbeigeschafft. Das bedeutet: Achtzig so große Oneraria, wie sie jetzt in Planung sind, brauchen im Durchschnitt nur fünfmal pro Jahr
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