Der Gladiator
Eingeweideschauer prophezeit?«
»Die Hand einer Frau wird mich demnächst vor dem Tod bewahren. Im übrigen habe ich ein prall gefülltes Leben zu erwarten.«
»Du glaubst an das Gewäsch der Bettelpropheten?«
»Nicht mehr und nicht weniger als an Fortunas dunkle Machenschaften.«
»Deine Rede gefällt mir«, sagte Messalina, »Rom ist reich an Heiligtümern der Fortuna, doch Zuspruch findet sie nur bei den armen Leuten, die sich von ihren Gebeten eine Verbesserung ihrer Lage versprechen. Wem es gut geht, der kümmert sich nicht um sie. Glück ist nur etwas für arme Leute.«
Vitellius lachte: »Ich bin armer Leute Kind, also werde ich mich um ihre Gunst bemühen müssen.«
Messalina sprang aus dem Bett und holte von einem kleinen Tischchen ein goldenes Füllhorn, das mit Äpfeln und Weintrauben dekoriert war. Sie schüttete das Obst auf den Tisch, sprang wieder ins Bett, riß sich das rote Mieder vom Leib, so daß sie nackt und erregend vor Vitellius kniete. Während sie das Füllhorn unter den linken Arm schob, sagte sie theatralisch: »Ich bin Fortuna, die Göttin des Glücks, des Zufalls und des guten Gelingens. Vitellius aus Bononia, welches ist dein Wunsch für dein Lebensglück?«
Vitellius, der die Szene zunächst mit ungläubigem Staunen verfolgt hatte, mußte nun lachen und spielte mit. »Schöne Fortuna, ich bin arm. Was mir fehlt zu meinem Glück, ist eine Beschäftigung, die genug abwirft für meinen Lebensunterhalt.«
»Wohlan denn«, sagte Messalina und griff mit der Hand in ihr Füllhorn, »ich habe einen lohnenden Zeitvertreib für dich – und das ist mein Ernst: Ich habe mit Sulpicius Rufus gesprochen. Er ist bereit, dich in seiner Gladiatorenschule auszubilden. Du bist ein freier Mann, kein Sklave, und erhältst ein monatliches Salär von zehn Sesterzen. Der erste Sieg bringt dir hundert Sesterze, der zweite zweihundert …«
Vitellius setzte sich auf. Bei allen Göttern, das war die Lösung seiner Probleme: ein neues Leben, ein neuer Beruf, eine neue Zukunft. Er wollte Messalina um den Hals fallen, doch im selben Augenblick sah er den weinenden, verstörten Verritus vor sich, die orgiastische Verzweiflung der anderen Gladiatoren bei der Cena libera und das Tor im Circus, durch das die Leichen der Kämpfer herausgeschleift wurden. Er sah die Sklaven, die den toten Verritus an den zerschundenen Beinen herauszogen, das klaffende Loch im Bauch und die blutigen Einstiche am Hals. »Nein«, schrie Vitellius und warf sich verzweifelt in die Kissen, »ich will leben, leben, leben!«
Messalina nahm sein Gesicht in beide Hände und zog es ganz nah vor das ihre. »Du sollst leben, Vitellius, ich will es. Du brauchst dich nicht zu fürchten vor dieser Aufgabe. Du bist jung. Du bist stark. Und du bist geschickt. Du wirst kämpfen und wirst siegen. Weil ich es will. Sulpicius Rufus ist der beste Ausbilder von Gladiatoren im ganzen Reich. Er hat die Schulen von Pompeji und Capua aufgebaut. Seine Männer haben mehr als zehntausend Siege errungen …«
»Aber zehntausend Sieger, das bedeutet auch zehntausend getötete Gegner«, entgegnete Vitellius.
»Nun gut«, versuchte Messalina ihn zu beschwichtigen, »es wird immer Schwächlinge geben, aber du bist stark, und ich will, daß du ein Held wirst, verstehst du?«
Vitellius wurde klar, daß seine Laufbahn als Gladiator eine beschlossene Sache war. Messalina wollte es. Was konnte er tun? Fliehen? Die Büttel Messalinas würden ihn einfangen. Sich verstecken? Sie würden ihn aufstöbern. Es gab keinen Ausweg. Trotzdem nahm er seinen ganzen Mut zusammen und fragte vorsichtig: »Und wenn ich ablehne?«
Messalina, die immer noch nackt war, legte sich hastig einen Schleier um die Schultern, als wollte sie diesem undankbaren Jüngling die Gnade ihres Anblicks verwehren. Sie kniff die Augen zusammen und sagte ganz leise, aber sehr bestimmt: »Vitellius, ich will dich im Circus kämpfen sehen und will dich siegen sehen. Ich will ein Idol aus dir machen, einen Gladiator, von dem die Welt spricht.« Ihre Stimme wurde lauter. »Ich will nicht, daß du dich einreihst in die Schlangen der zweimal hunderttausend Arbeitslosen, die jede Woche um ihre kostenlose Getreideration anstehen, die sich als Tagediebe durchs Leben schlagen und deren einzige Hoffnung es ist, einmal bei den Spielen eine Loskugel zu erhaschen, die ihnen eine Summe Geldes, ein Grundstück oder ein Haus verspricht.«
Während sie redete, ging die Kaiserin im Tablinum wütend auf und ab. Der
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