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Der Gladiator

Der Gladiator

Titel: Der Gladiator Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Vandenberg
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Schleier, der ihren Körper umschmeichelte, schimmerte rötlich im Licht der Öllampen. »Du hast mir schon einmal einen Wunsch abgeschlagen«, sagte sie erregt, »glaubst du, dir das noch ein zweites Mal leisten zu können?«
    Und noch ehe Vitellius antworten konnte, drehte sie sich um und entschwand hinter dem Vorhang. »Wir sehen uns im Circus wieder!« hörte er ihre Stimme, »melde dich morgen bei Sulpicius Rufus.« Dann war es still. Nur das Knistern der rotflackernden Öllämpchen war zu hören. Vitellius blickte sich um, da saß er nun, nackt im Lustbett Messalinas. Hastig griff er nach seinen Kleidern.
     
     

K APITEL 3
    M it einem Stock zog Sulpicius Rufus ein Quadrat in den Sand, zehn Schritte nach jeder Seite. Vitellius nahm in der einen Ecke Aufstellung, Pugnax in der anderen. Dann gab der Gladiatorentrainer mit dem Stock ein Zeichen. Die beiden Gegner belauerten sich. Obwohl sie gemeinsam eine Zelle bewohnten, haßten sie sich. In acht Metern im Quadrat eingepfercht, sprachen sie tagelang kaum ein Wort miteinander, und wenn, dann nur das Nötigste. Meist bekam der andere nur Flüche zu hören.
    Drei Monate waren vergangen, seit Vitellius Rom betreten hatte. Und beinahe ebenso lange wurde er in der Gladiatorenkaserne an der Via Labicana ausgebildet, die er schon am ersten Abend kennengelernt hatte. Doch nun sah dieser Ludus magnus, so nannten die Römer die Kaserne, anders aus. Wo damals die Tische mit Delikatessen beladen waren und lüsterne Frauen sich den Gladiatoren darboten, stieg gelber Staub zum Himmel auf und vermischte sich mit dem beißenden Schweißgeruch kraftstrotzender Kämpfer. Statt Lustschreie tönten harte Anfeuerungsrufe durch das Oval des zur Arena umgebauten Innenhofes. Statt rotem Falerner gab es für die Trainingspartner nur ab und zu einen kalten Guß aus dem Holzeimer.
    »Mehr Bewegung«, schrie der Trainer Vitellius an, »schwinge dein Netz schneller, laß es rotieren, um so schneller wird es den Gegner in einem unachtsamen Augenblick fangen.« Vitellius und Pugnax übten sich in der klassischen Kampfdisziplin der Retiarier, in der Linken ein grobmaschiges Fangnetz, in der Rechten einen scharfen Dreizack. Obwohl in jeder Disziplin mit scharfen Waffen trainiert wurde, war es doch streng verboten, den Gegner ernsthaft zu verletzen. Dazu waren die Gladiatoren, und vor allem ihre Ausbildung, zu teuer. Doch ohne Blut ging eine Niederlage beim Training selten ab. Denn um seinen Erfolg zu dokumentieren, ritzte jeder Sieger den Unterlegenen ein bißchen an. Das war auch der Grund, warum der mit einem Lendenschurz bekleidete Vitellius zwei dunkelrote Schrammen an der rechten Schulter trug. Die rechte Schulter und Armpartie war am gefährdetsten, weil die Rechte die Waffe führte und somit dem Gegner immer am nächsten war. Arme und Beine steckten während des Trainings in ledernen Schienen, der übrige Körper blieb ungeschützt.
    Vitellius warf blitzschnell den Kopf zur Seite, als das Fangnetz des Pugnax pfeifend geflogen kam. Das aber war nun seine Chance; denn ein Fehlversuch, dem Gegner das Netz überzuwerfen, erforderte einige Augenblicke, um es wieder unter Kontrolle zu bringen. Entweder fiel es zu Boden, oder es wickelte sich um den Werfer, wenn es zuviel Schwung hatte. Im ungünstigsten Fall konnte es ihn sogar umwerfen, das bedeutete im Ernstfall den Tod.
    »Debilis!« schnaubte Pugnax, ›Schwächling‹ – er nannte ihn nie anders – und meisterte den Fehlversuch bravourös. Vitellius wußte aus eigener Erfahrung, daß ein Fehlversuch mit dem Netz Kraft kostete, vor allem aber machte er unsicher, kostete Selbstvertrauen, zwang zur Defensive. So jetzt auch. Geduckt, den Dreizack schräg nach oben haltend, schlich Vitellius um seinen Gegner. Das war nicht mehr der schüchterne Junge, der voll von naivem Staunen nach Rom gekommen war. Vitellius fletschte die Zähne, seine Augen waren zu einem schmalen Spalt zusammengekniffen, er bewegte sich lauernd und geschmeidig wie ein wildes Tier um seinen Gegner herum. Rufus, der Ausbilder, beobachtete es mit Wohlgefallen. Nur um Messalina zu Willen zu sein, hatte er Vitellius in die Familia aufgenommen, eine Truppe, bestehend aus gutaussehenden Sklaven, begnadeten Schwerverbrechern und einigen wenigen freiwillig eingetretenen römischen Bürgern. Zu ihnen zählte Vitellius.
    Wer wie er aus freien Stücken die Gladiatorenlaufbahn gewählt hatte, wußte, was er tat. Er verlor damit seine bürgerlichen Ehrenrechte, erklärte sich bei

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