Der Gladiator
seines Sieges. »Hier hast du die Prämie, die ich mir heute verdient habe, 500 Sesterze. Dafür müßtest du ein Jahr arbeiten. Ich hoffe, das reicht!«
»Fürs erste«, sagte der Centurio trocken und ließ den Säbel unter seiner Rüstung verschwinden.
»Die gleiche Summe noch einmal für Manlius, den Centurio!« zischte er, während er mit ausgestrecktem Schwert rückwärts dem Ausgang zustrebte. »Drei Tage gebe ich dir Zeit. Du findest mich im Soldatenlager an der Straße nach Ostia. Solltest du das Geld bis dahin nicht auftreiben, kannst du einen Logenplatz für die Beerdigung der Vestapriesterin Tullia buchen. Du weißt doch, daß Vestalinnen bei lebendigem Leibe begraben werden?«
Als der Erpresser verschwunden war, fielen Vitellius und Tullia sich in die Arme. Tullia weinte, und auch der Gladiator hatte Tränen in den Augen.
»Komm«, sagte er, »nur fort von hier, bevor die Tribüne über uns zusammenbricht!« Und er legte seine Hand um ihre schmale Schulter.
K APITEL 7
Z wei Türsteher nahmen Vitellius am Eingang der Villa in Empfang und geleiteten ihn durch die Zypressenallee zum Haupthaus. Zu beiden Seiten des Weges standen glänzend weiße Marmorstatuen, ein leuchtender Kontrast zu den uralten, zerfurchten, grauen Stämmen der Bäume. Schon von weitem hörte man das Plätschern des Nympheums, eines von Säulen umstandenen Wasserspiels, dessen Bassin aus himmelblauen Fliesen gemauert war und mit der Sonne im Glitzern und Blinken wetteiferte. So also lebte Pheroras, der steinreiche Bankier und Reeder, in dem Villenvorort Tibur östlich von Rom. Von einer Höhe über dem Arnotal ragte der korinthische Tempel der Vesta aus seiner grünenden Umgebung hervor. Und das schrille Zirpen der Zikaden verklärte die Tagesneige zu einer Ode der Bewunderung für all die Schönheiten der Natur und all die Kunst, die Pheroras hier angesammelt hatte.
Vitellius kam aus dem Staunen nicht heraus. Wohin er auch blickte, überraschte ihn ein neues Wunder. Reiher und Flamingos mit gestutzten Flügeln stelzten zwischen schimmernden Porphyrbecken, leuchtenden Bassins und edlen Säulen. In riesigen Alabasterwannen, getragen von Fabeltieren, schwammen weißblühende Seerosen und rote Goldfische. Mit pfirsichrotem Granit war das langgestreckte Wohngebäude verkleidet, aus dem ihm Pheroras entgegenkam.
»Es freut mich, daß du meiner Einladung Folge geleistet hast.« Er faßte ihn wie einen Freund bei den Schultern. »Gewiß suchen in diesen Tagen viele Römer deine Gesellschaft.«
»Sei gegrüßt, edler Pheroras, und habe Dank. Noch nie im Leben habe ich ein so schönes Landhaus gesehen, es verrät edelsten Geschmack. Ich sehe staunend, Ihr versteht Euch nicht nur auf den schnöden Mammon, sondern auch auf die schönen Künste. Nehmt meine Bewunderung entgegen.«
Pheroras, fast kahl, mit schwarzem Haarkranz und breitem, wallendem Bart, lachte: »Viele glauben, der Umgang mit dem Geld trübe den Blick für die schönen Künste. Das Gegenteil entspricht der Wahrheit. Geld ermöglicht erst die Unabhängigkeit der Kunst. Hätte Maecenas nicht Horatius, Vergilius und Properzius gefördert, es gäbe keine ›Sermones‹, keine ›Äneis‹ und keine ›Cynthia‹. Und selbst ein Phidias bedurfte eines Perikles. Aber komm und folge mir ins Haus. Meine Frau und Tertulla, meine Tochter, wollen dich kennenlernen.«
Durch den Portikus gelangte man in das weißmarmorierte Atrium. Der bewußt schlicht gehaltene Raum ließ den Blick in die Höhe schweifen, wo sich Nymphen und Faune in einer arkadischen Landschaft ergingen. Grün und Blau waren die vorherrschenden Farben dieses Deckengemäldes. Nach vorne hin öffnete sich das Atrium zu einem Viridarium vom Ausmaß eines botanischen Gartens. Das Auge wurde verwöhnt von den satten Farben exotischer Pflanzen; der Gesang bunter, nie gesehener Vögel schmeichelte den Ohren. So, dachte Vitellius, müssen die Götter wohnen.
Unter breiten Fächerpalmen im Viridarium erwarteten Pheroras' Frau und Tochter den illustren Gast, umschwärmt von einer Sklavenschar, wie sie nicht einmal Messalina aufzuweisen hatte.
»Unser Gastfreund Vitellius«, stellte Pheroras den jungen Gladiator vor, »ihr habt ihn euch gewünscht, hier ist er!« Mariamne, die Frau des Bankiers, war eine Schönheit in mittleren Jahren, gepflegt und hoheitsvoll und mit der Ausstrahlung einer griechischen Hetäre. Tertulla, die Tochter, mochte nicht viel älter sein als Vitellius selbst, gewiß nicht häßlich, aber sichtlich
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