Der Gladiator
nicht«, antwortete Vitellius.
Da mischte sich Pheroras ein. »Du hast doch die Rapis, den Freistab erhalten, bist also frei in deinen Entscheidungen. Hast du dich trotzdem entschlossen, weiter zu kämpfen?«
»Ich lebe davon, daß ich meine Haut zu Markte trage. Bei allen Göttern, so ist es.«
Pheroras überlegte eine Weile, dann meinte er: »Ich bin zwar kein Lanista, aber reizen würde es mich schon, dich zum größten Gladiator Roms zu machen. Du bringst alle Voraussetzungen mit, hast Pugnax besiegt, bist jung, gescheit und bei den Römern bekannt. Was hältst du davon?«
Vitellius hob die Schultern. Auf ein solches Angebot war er nicht gefaßt. Der Grund, warum er der Einladung bereitwillig Folge geleistet hatte, war eigentlich ein ganz anderer: Er brauchte Geld, sehr viel Geld, und zwar sofort – wollte er die Vestapriesterin Tullia nicht dem sicheren Tod preisgeben. Pheroras war als der größte Geldverleiher Roms bekannt, er machte vielerlei Geschäfte, und niemand wußte genau, wo er überall sein Geld einsetzte.
»Ich brauche Geld«, sagte Vitellius unvermittelt. Pheroras, Mariamne und Tertulla sahen den Gast erstaunt an. »Ja, ich befinde mich in einer Zwangslage.« Und nach einer Pause: »Wenn ich ehrlich sein soll – ich bin nur deshalb hierhergekommen …«
Die Komiker versuchten die Peinlichkeit des allgemeinen Schweigens mit einer Stegreif-Szene zu überbrücken. Ohne die Pointe abzuwarten, unterbrach sie Pheroras und rückte näher an Vitellius heran. »Wieviel brauchst du?«
»Fünfhundert Sesterze. Bis morgen.«
»Fünfhundert Sesterze.« Pheroras lachte. »Fünfhundert Sesterze.« Sein Gelächter steigerte sich, bis ihm die Tränen in die Augen traten und ihm die Atemluft knapp wurde. Auch Mariamne, Tertulla, die Sklaven und – Vitellius lachten. Er wußte eigentlich nicht, warum, aber Pheroras' Gelächter wirkte ansteckend, er konnte nicht anders.
»Kommt einer daher«, gluckerte Pheroras und schlug sich vor Vergnügen auf die Schenkel, »kommt einer daher, der das Zeug hat, Roms größter Gladiator zu werden, und bettelt um fünfhundert Sesterze. Fünfhundert!« Als er sich etwas beruhigt hatte, setzte sich Pheroras neben Vitellius, legte die Hand auf seine Schulter und sprach: »Mein Sohn, verzeih mein dummes Gelächter, aber wenn ein Bittsteller zu Pheroras kommt und sagt, er brauche viel Geld, dann überlege ich nicht so sehr, ob er für hunderttausend Sesterze Kredit gut ist, sondern, ob die zehntausend Sesterze an Zins den ganzen Verwaltungsaufwand rentieren. Brutus, der ruchlose Cäsarmörder, nahm vierzig Prozent, damit läßt sich leben, aber nach dem Zwölftafelgesetz sind nur acht Prozent erlaubt, und das zweite Buch Mose verbietet das Zinsnehmen sogar ganz.«
»Du bist ein Jude?« erkundigte Vitellius sich schüchtern.
»Geboren wurde ich in Ein Gedi am Toten Meer, man hat mich im jüdischen Glauben unterrichtet, aber heute bin ich ein römischer Bürger. Glaube mir, ich habe dieses Bürgerrecht teuer erkauft. Und einige ehrenwerte Männer Roms haben damit ihr Glück gemacht.«
Vitellius nickte verständnisvoll.
Mariamne, die den Gladiator nicht aus den Augen ließ, meinte schließlich: »Belaste unseren Gast nicht mit deinen Geldgeschäften. Er braucht fünfhundert Sesterze, du gibst sie ihm als Geschenk. Es ist uns eine Freude, dir aus deiner Zwangslage zu helfen.«
Am liebsten wäre Vitellius dieser Frau um den Hals gefallen; doch er hielt sich zurück und wartete auf Pheroras' Antwort.
Der schien sich die Sache noch zu überlegen, dann sagte er: »Ich mache Vitellius einen anderen Vorschlag. Wir schließen einen Pakt. Der Gladiator Vitellius tritt in meine Dienste. Ich vermittle und arrangiere seine Kämpfe und erhalte die Hälfte aller Siegesprämien. Dafür bekommst du von mir im Monat tausend Sesterze. Außerdem stelle ich dir eines meiner Stadthäuser mitsamt vier Bediensteten zur Verfügung.«
Alle Augen waren auf Vitellius gerichtet. Der wußte nicht, wie ihm geschah, und wollte zunächst an einen Scherz glauben. Doch dann blickte er in die ernsten Gesichter seiner Gastgeber, die auf eine Antwort warteten. Kein Zweifel, Pheroras meinte sein Angebot ernst. Tausend Sesterze pro Monat und ein eigenes Haus!
»Du gehst kein Risiko ein«, meinte Pheroras, »das Risiko liegt ganz auf meiner Seite. Fällst du in deinem nächsten Kamp£ dann war es eine Fehlinvestition …«
»Ich bitte dich«, fiel ihm Mariamne ins Wort, »führe nicht solche
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