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Der Gladiator

Der Gladiator

Titel: Der Gladiator Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Vandenberg
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gelben Sand zeichneten, fielen auf der Tribüne Frauen in Ohnmacht, Mädchen kreischten und brachen in Tränen aus: »O Vitellius, nimm mich!« – »Nein, mich!« – »Vitellius, du Geliebter!« – »Vitellius!«
    Zu dem Fest in Tibur hatte Pheroras geladen, was in Rom Rang und Namen hatte. Er wußte genau, was er tat: Einmal wollte er seinen Schützling Vitellius in die römische Gesellschaft einführen, zum anderen konnten die Geladenen das Gelage zum Anlaß nehmen, den reichen Geldverleiher unauffällig um einen neuen Kredit zu bitten. Halb Rom lebte auf Pump, und in den sogenannten besseren Kreisen gehörte es beinahe zum guten Ton, ein paar Millionen Schulden zu haben. Und Pheroras lebte von den Schulden anderer Leute.
    Während die Gäste in ihren Prunkwagen vor der Villa des Pheroras vorfuhren, saßen sich Vitellius und sein Mentor in dessen Arbeitszimmer gegenüber und prosteten sich zu.
    »Auf deinen Sieg, diesen und den nächsten!«
    »Hab Dank, Pheroras. Und Dank sei auch den Göttern!« Vitellius nahm seinen Becher und goß einen Schluck Wein auf den Boden aus; dann trank er, wischte sich mit dem Ellenbogen über die Lippen und stellte den Becher ab.
    »Die Prämie beträgt hunderttausend Sesterze«, sagte Pheroras, »dein Anteil ist die Hälfte, ich habe dir ein Bankkonto eingerichtet.«
    »Hab Dank!«
    »Dein nächster Kampf«, begann Pheroras, »wird nicht mehr hunderttausend Sesterze kosten. Beim nächsten Mal kämpfen wir um eine halbe Million!«
    Vitellius hatte mit Befriedigung registriert, daß Pheroras wir gesagt hatte, wir kämpfen. Der Gladiator und sein Mentor fühlten sich als ein Gespann, das denselben Wagen zog.
    »Wer soll eine halbe Million bezahlen?« fragte Vitellius. »Im Ludus magnus läßt der Kaiser unter geringerem Aufwand Gladiatoren ausbilden, die mehr Siege errungen haben als ich.«
    »Gewiß«, antwortete Pheroras, »vielleicht sind sie sogar tapferer, sogar gewandter als du, aber sie sind nicht so beliebt und bekannt wie du. Im Circus maximus haben die Zuschauer bereits einen neuen Anfeuerungsruf, um die Gladiatoren anzupeitschen. Sie rufen ›Vitellius!‹. Eine halbe Million ist eigentlich viel zu wenig.«
    »Wir wollen die Götter nicht herausfordern.«
    »Das, Vitellius, laß meine Sorge sein. Ich kenne deinen Preis.«
    »Nun gut.« Vitellius lachte. »Es sei, wie du wünschest. Nur fällt es mir bisweilen schwer, daran zu glauben, daß Fortuna mich auch weiterhin mit ihrem Füllhorn überschüttet. Zu sehr erinnere ich mich noch der Tage, an denen ich Kessel flickte für einen As pro Tag.«
    »Wünschest du diese Zeit zurück?«
    »Bei allen Göttern, nein. Ich habe dem Jupiter Capitolinus Rauchopfer dargebracht zum Dank für seine göttliche Zuneigung, ich habe im Tempel der Venus und Roma fromme Gebete gesprochen, und am Tempel der Vesta habe ich wochenlang Salzkuchen abgegeben als Sühneopfer für meine Schuld …«
    »Dich trifft keine Schuld«, unterbrach Pheroras die Rede seines Schützlings, »trinke Wasser aus dem Lethe, dem Fluß des Vergessens.«
    »Wie soll ich dieses Geschehen je vergessen!« Vitellius schlug die Hände vors Gesicht und schüttelte den Kopf. »Nie, Pheroras, nie! Tullia hat mir das Leben gerettet, und zum Dank habe ich ihr den Tod gebracht.«
    »Vitellius!« Pheroras legte seine Hand auf die Schulter des Gladiators. »Es war nicht die Vestalin Tullia, die dir das Leben gerettet hat …«
    Vitellius sah Pheroras mit großen Augen an. »Tullia war nur Mittel zum Zweck. Die Begegnung mit der Vestalin war sorgsam vorbereitet. Und wie ich aus zuverlässiger Quelle erfahren habe, steckte eine Frau dahinter, deren Name dir nicht unbekannt sein dürfte, auch wenn er der allgemeinen Damnatio verfallen ist.«
    »Messalina?« unterbrach ihn Vitellius.
    »Ja«, sagte Pheroras. Nach längerem Schweigen sagte Vitellius. »Ich habe oft darüber nachgedacht, warum gerade mir im Morgengrauen eine Vestalin begegnen konnte, und viele andere haben sich diese Frage ebenfalls gestellt. Nun weiß ich es. Trotz allem hält mich das Schicksal Tullias gefangen. Ich war der Grund, warum sie sterben mußte, das werde ich nie vergessen.«
    Pheroras versuchte seinen Schützling zu beruhigen: »Wärest du es nicht gewesen, hätte ein anderer deine Rolle übernommen. Tullia hat den Tod gesucht. Ihre Eltern hatten sie gegen ihren Willen zur Vestalin gemacht. Und nach einem Jahr wußte das Mädchen, daß es das dreißigjährige Gelübde nie erfüllen konnte. Deshalb

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