Der Gladiator
betraten. Der Gladiator bedankte sich mit freundlichem Lächeln, schüttelte Hände, erhielt Küsse auf die Wangen. »Heil dir, Vitellius!«
Die bedeutendsten Männer Roms und die schönsten Frauen gaben sich bei Pheroras ein Stelldichein. Der Gastgeber geriet in Entzücken, als er einen Mann mit Bart und zottigem Haupthaar wahrnahm, die Augenbrauen über der höckerigen Nase zusammengekniffen, nachlässig, beinahe ärmlich gekleidet, war er von einer Traube Menschen umgeben. »Lucius Annaeus Seneca«, rief Pheroras aus, »deine Anwesenheit gereicht mir zur hohen Ehre!«
Seneca, in Begleitung seiner Frau Pompeia Paullina, kam auf Pheroras und Vitellius zu, verneigte sich kurz und sprach: »Die Elite der Stadt ist heute hier versammelt. Wer könnte es sich da leisten, abseits zu bleiben?«
Pheroras raunte Vitellius hinter vorgehaltener Hand zu: »Der Kerl schuldet mir noch zwei Millionen!« und laut, daß alle es hören konnten, sagte er: »Ich dachte, du würdest meine Einladung ausschlagen, weil du ein erklärter Gegner des Gladiatorenwesens bist. Schließlich findet dieses Fest zu Ehren unseres Gladiators Vitellius statt!«
Seneca hob abwehrend die Hand. »Nicht die Spiele sind es, die ich verabscheue, die Art und Weise ist es, wie Menschen aufgrund ihrer niederen Geburt versklavt und in den Tod getrieben werden. Vitellius ist, wie jedermann weiß, ein Freiwilliger, er kann es jederzeit ablehnen, in der Arena zu kämpfen.«
»Vitellius genießt also deine Sympathien?«
»Es ist sein Beruf, den er erwählt hat. Mir persönlich gefällt sein grausames Handwerk nicht, zum einen, weil ich die Kraft des Geistes höher als die der Muskeln schätze, zum anderen genügt es mir, wenn ich täglich meine Fehler verringere und meinen Irrtum beklage. Aber wo kämen wir hin, wenn Rom nur von Philosophen bevölkert wäre. Nein, laßt Vitellius das Schwert und mir den Schreibgriffel!«
Die Umstehenden, die die Rede des Philosophen und angesehenen Schriftstellers aufmerksam verfolgt hatten, klatschten Beifall. Worte aus Senecas Mund wurden in diesen Tagen wie Medizin konsumiert. Der Philosoph, der den Kaiser erzogen hatte, veröffentlichte in regelmäßigen Abständen Schriften zu aktuellen Zeitproblemen und versuchte damit, den Menschen in dieser orientierungslosen Zeit einen gewissen moralischen Rückhalt zu vermitteln.
»Er hatte«, flüsterte Pheroras seinem Schützling im Weitergehen zu, »zehn Millionen Schulden; aber er zahlt pünktlich zurück, seit Nero an der Regierung ist. Er zieht dem Prinzeps das Geld aus der Tasche, ohne daß der es überhaupt bemerkt. Seneca ist im Reden stark, im Handeln ist er schwach. Er predigt die Armut der griechischen Kyniker, aber er selbst lebt wie ein Fürst. Suum cuique – jedem das Seine.«
Auf der gegenüberliegenden Seite des Atriums stand eine rotblonde Frau von ungewöhnlich weißer Hautfarbe. Sie war etwa 25 Jahre alt und befand sich in Begleitung eines häßlichen, rundgesichtigen Mannes mit einem breiten Haarkranz. Für einen Augenblick kreuzten sich ihre Blicke, dann sah Vitellius verlegen zur Seite.
»Sie gefällt dir?« fragte Mariamne, die die Szene beobachtet hatte.
»Sie ist schön wie Venus«, antwortete Vitellius. Pheroras grinste. »Du wirst dem Kaiser ins Gehege kommen, wenn du dich mit ihr abgibst.«
»Mit dem Kaiser?«
»Er stellt ihr nach, obwohl sie mit einem seiner besten Freunde verheiratet ist. Es ist Poppäa Sabina. Ihre Mutter gleichen Namens galt als die schönste Frau der Welt. Der unscheinbare Mann neben ihr ist ihr Gemahl Otho. Man erzählt sich da unglaubliche Geschichten …«
»Ich glaube, ich lasse euch jetzt besser allein«, sagte Mariamne. »Aber kommt ihr nicht zu nahe«, rief sie im Weggehen, »sonst riecht ihr tagelang nach den süßen Düften Ägyptens!«
»Poppäa liebt Düfte über alles«, erklärte Pheroras die spöttische Bemerkung seiner Frau, »sie badet in Eselsmilch, hüllt sich vor der Sonne in Schleier und läßt exotische Ingredienzien zu betörenden Mixturen vermengen, von deren Duft die Männer angezogen werden wie die Mücken von den pontinischen Sümpfen.« Und leise fügte er hinzu: »Man erzählt sich in Rom, sie sei die eigentliche Drahtzieherin beim Tode Agrippinas gewesen. Wer weiß …«
Die beiden näherten sich Poppäa und Otho, Vitellius nickte der Schönen freundlich zu, und diese sah ihm einen Augenblick tief in die Augen. Vitellius glaubte ein leichtes Erröten auf ihren Wangen zu erkennen.
»Otho und
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