Der Gladiator
Poppäa«, sagte Pheroras förmlich, »lernt unseren großen Gladiator Vitellius kennen«, und zu Vitellius gewandt meinte er mit feinem Lächeln: »Otho ist in doppelter Hinsicht ein beneidenswerter Mann – zum einen hat er eine Frau, die schön ist wie der Glanz der Gestirne, zum anderen ist er wohl der einzige in dieser Runde, der mir zu meinem Bedauern kein Geld schuldet.«
Otho lachte: »Pheroras, du magst zwar der größte Geldverleiher Roms sein, der einzige bist du sicher nicht. Wer bei dir keine Schulden hat, muß also noch lange kein Krösus sein. Aber laßt uns nicht vom Geld reden, sondern von den Taten deines Schützlings Vitellius.«
»Wie alt bist du, schöner Gladiator?« fragte Poppäa und musterte Vitellius mit leicht verschleiertem Blick. Ihr Augenaufschlag, der samtige Klang ihrer Stimme und die erwartungsvollen Blicke der Umstehenden verwirrten ihn so sehr, daß er ins Stottern geriet: »Ich«, sagte er stockend, »siebenundzwanzig.«
»Oh!« Poppäa zog den hauchdünnen Schleier, der über ihrem wogenden Dekolleté lag, vor ihren Mund, drehte sich leicht zur Seite und sagte bewundernd durch das Stoffgespinst: »Siebenundzwanzig!«
»Welch ein Talent, fürwahr«, konstatierte Otho, der die Koketterie seiner Frau scheinbar überging, »man sollte Vitellius dem Kaiser ans Herz legen.«
Pheroras protestierte: »Vitellius benötigt keine Fürsprache, nicht einmal die des Prinzeps. Nero läßt im Ludus magnus seine eigenen Favoriten ausbilden. Wenn er einen für gut genug hält, soll er ihn gegen Vitellius in die Arena schicken. Für eine halbe Million Sesterze ist Vitellius bereit, gegen jeden anzutreten. Verliert er den Kampf, erhält der Sieger von mir 500.000 Sesterze.«
Im Atrium war es still geworden. Atemlos verfolgten die Umstehenden das laute Gespräch zwischen dem Mentor des Gladiators und dem Intimus des Kaisers. War Pheroras zu weit gegangen? Hatte er zu hoch gespielt und damit den Kaiser herausgefordert?
Als Pheroras die erschrockenen Gesichter der Umstehenden sah, begann er von neuem: »Es ist mein voller Ernst. Vitellius tritt seinen nächsten Kampf für eine Summe von 500.000 Sesterzen an. Und die gleiche Prämie soll dem zuteil werden, der ihn schlägt. Bei meiner rechten Hand – so sei es!«
Die Gäste klatschten Beifall. »Hoch Pheroras!« riefen sie, und »Hoch Vitellius!« Nur einer blieb stumm und starrte mißmutig vor sich hin. Wer in seiner Nähe stand, beobachtete, wie an seiner Schläfe eine Zornesader schwoll. Es war Lentulus, der Leiter der kaiserlichen Gladiatorenschule.
»Du schweigst so nachdenklich, teurer Lentulus?« rief Pheroras über die Köpfe der Umstehenden hinweg. »Ich weiß schon, daß du Vitellius keinen gleichwertigen Gegner entgegenzusetzen hast.«
»Das bedarf wohl erst eines ernsthaften Versuches«, erwiderte Lentulus. »Wir wissen alle, wo Vitellius seine Laufbahn begonnen hat. Manch einer von meinen Kämpfern hat noch erlebt, wie dein Schützling in der ›Straße der grausamen Puppen‹ im Ludus magnus bewußtlos geschlagen wurde!«
Pheroras winkte ab: »Lentulus, du plauderst kein Geheimnis aus. Vitellius hat klein angefangen, er hat sein Bürgerrecht aufs Spiel gesetzt, um als Voluntarius zu kämpfen, aber heute ist er der größte Gladiator Roms. Nenne mir einen, der ihn schlagen kann, er kann schon morgen ein reicher Mann sein. Nun, Lentulus, ich höre.«
Lentulus blickte ins Leere. Er fühlte sich gedemütigt von diesem Pheroras. Der Ausbildungsstand seiner Gladiatoren war gewiß nicht schlechter als unter Kaiser Claudius, aber Vitellius hatte, wo immer er auftrat, das Publikum auf seiner Seite. Er war der Liebling der Massen, einer aus ihren Reihen, einer, der es geschafft hatte, ihr Idol. Ein Gegner von Vitellius hatte das Publikum von vornherein gegen sich. Und einen Publikumsfavoriten zu schlagen war praktisch unmöglich; denn selbst bei einem verlorenen Kampf hoben Zehntausende den Daumen – ein Urteil, dem sich nicht einmal der Kaiser zu widersetzen wagte. Diesem Vitellius war nur durch einen Zufall beizukommen. Er mußte getötet werden, bevor es das Publikum überhaupt wahrgenommen hatte.
»Du sagtest, Vitellius kämpft in allen Disziplinen und dein Angebot gilt für alle Disziplinen!« Es war Arruntius Stella, der für Neros Spiele verantwortliche Beamte.
»Gewiß«, antwortete Pheroras.
»Also kommen auch Kampfesarten in Frage, in denen Vitellius bisher nicht öffentlich gekämpft hat?«
»Er beherrscht das ganze
Weitere Kostenlose Bücher