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Der Gladiator

Der Gladiator

Titel: Der Gladiator Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Vandenberg
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des Nachdenkens. »Du sprichst anders als alle anderen.«
    In diesem Augenblick kam Mariamne hinzu und klatschte nach den Sklaven: »Wein für Poppäa und Vitellius!« Sie wollte so ihre Eifersucht überspielen, mit der sie die beiden seit geraumer Zeit beobachtet hatte. Aber Vitellius starrte unentwegt auf einen jungen Mann an der Seite eines purpurtragenden Senators. Zunächst deutete sie diesen starren Blick als Verlegenheit; dann aber fragte Vitellius, ohne seine Augen von dem Unbekannten zu lassen: »Mariamne, wer ist dieser da neben dem Senator?«
    »Soviel ich weiß, der Nomenklator des Senators Crispus.«
    »Und wie ist sein Name?«
    »Das wissen die Götter«, lachte Mariamne, »schließlich ist er dazu da, seinem Herrn die Namen anderer zu nennen.«
    Vitellius stellte seinen Becher ab. Mit den Händen bahnte er sich einen Weg durch die dichtgedrängten Gäste, und je näher er dem Senator und seinem Diener kam, desto heftiger und rücksichtsloser stieß er die Leute beiseite. Weder der Senator noch sein Nomenklator hatten bemerkt, daß Vitellius auf sie zukam. Wenige Schritte vor den beiden blieb Vitellius stehen, musterte den Mann noch einmal, dann rief er halblaut, aber laut genug, daß es jeder im Atrium, in dem die Gespräche verstummt waren, hören konnte: »Kaatha!«
    Langsam, sich ertappt fühlend, drehte sich der Mann um. Er, der Schmalbrüstige, wirkte in diesem Augenblick noch schmächtiger gegenüber dem muskelbepackten Gladiator Vitellius. Der setzte behutsam, als würde er sich jeden einzelnen Schritt überlegen, einen Fuß vor den anderen, blieb in Reichweite stehen, preßte noch einmal verächtlich »Kaatha!« durch die Lippen, holte aus, feuerte seine Rechte auf das Kinn des Schmächtigen und schrie: »Wo ist Rebecca – wo?«
    Der Nomenklatur flog rückwärts in hohem Bogen auf einen der Tische und blieb regungslos zwischen zerquetschten exotischen Früchten, umgestoßenen Pokalen und verstreuten Fleischstücken liegen. Als hätte er sich einer dringenden Pflicht entledigt, drehte Vitellius sich um und verließ das Atrium durch den Ausgang zum Garten.
    Mariamne blickte hilflos zu Pheroras, der wies mit dem Kopf zum Viridarium. Mariamne lief Vitellius hinterher. An einem der sprudelnden Delphin-Becken holte sie ihn ein. »Vitellius!« rief sie und packte den Gladiator an der Schulter, »beruhige dich, Vitellius!«
    »Dieser Sohn einer orientalischen Hure«, ereiferte sich Vitellius, »ich hätte ihn totschlagen sollen. Er hat Rebecca auf dem Gewissen, er hatte ihr die Ehe versprochen, er hat Rebecca ihre gesamten Ersparnisse abgenommen, und als Claudius die Juden aus Rom auswies, da hat er sich freigekauft und das Mädchen seinem Schicksal überlassen. Warum habe ich ihn nicht erschlagen!«
    Mariamne zog Vitellius' Kopf an ihre Brust. Als sie ihm mit der Hand über die Wangen strich, merkte sie, daß sie feucht waren. »Ich wußte«, fuhr Vitellius mit tränenerstickter Stimme fort, »daß ich ihm eines Tages begegnen würde, ich wußte es. Es nützte ihm gar nichts, daß er sich den Bart abrasierte und das Haar nun kurz trägt wie ein Römer – ich würde seine dreckige Larve sogar beim Festzug der Saturnalien unter Tausenden von Masken erkennen.«
    Aus dem Innern des Hauses drangen erregte Stimmen. Keiner der Gäste kannte den Hintergrund des Vorfalls, und man rätselte, welche Rechnung Vitellius mit dem Nomenklatur beglichen hatte. Während Sklaven den Bewußtlosen fortschafften, nahm Mariamne den Kopf des Gladiators in beide Hände, zog ihn ganz nahe vor ihr Gesicht und sagte mit bewegter Stimme: »Du weißt, Vitellius, was du mir bedeutest, du weißt, wie sehr ich mich nach dir und nach deinem Körper sehne. Ich habe dich nie allein beansprucht, stets war ich mit dem zufrieden, was ich von dir erhielt. Aber ich spürte schon lange, daß du nur einen Gedanken kanntest. Nicht dein nächster Sieg in der Arena erschien dir wichtig, im Gegenteil, ich hatte oft den Eindruck, daß du den Tod suchtest, weil du in Gedanken stets bei diesem Mädchen warst.«
    »Ich bin vom Schicksal zum Leben verurteilt«, sagte Vitellius bitter, »und dabei bedeutet mir dieses Leben nichts.«
    »Und gerade dies ist das Geheimnis deines Erfolges. Würdest du dich an dein Leben klammern wie ein Schiffbrüchiger an eine Planke, du hättest es sicher schon verwirkt.«
    Vitellius sah Mariamne an: »Ich werde«, begann er zaghaft, »Rebecca finden. Ich werde sie suchen, und müßte ich die Wüsten Asiens

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