Der Gladiator
Handwerk eines Gladiators!«
»Auch das eines Faustkämpfers?«
Keiner merkte, daß Vitellius zusammenzuckte, als Pheroras erwiderte: »Auch das eines Faustkämpfers!«
Er hatte den harten Kampf mit Schlagringen um die Finger und Lederriemen an den Handgelenken zwar trainiert, aber er war mehr als einmal im Ludus magnus von Pugnax bewußtlos geschlagen worden, zu gewaltig, zu hart waren seine Schläge gewesen. Hätten sie damals nicht mit Schutzhelmen gekämpft, Pugnax hätte Vitellius bereits im Training erschlagen. Vitellius fürchtete diese Kampfdisziplin, er fürchtete sie vor allem deshalb, weil ihm dabei die Sympathien des Publikums überhaupt nichts nützten. Ein Schlag auf die richtige Stelle, und er hatte sein Leben ausgehaucht.
»So sei es denn!« rief der Beamte des Kaisers, »Vitellius soll bei den nächsten Spielen seinen ebenbürtigen Gegner im Faustkampf haben. Die Ludi Megalenses sind gerade vorüber, aber die Spiele des Apollon im Juli warten noch auf einen Hauptkampf. Er ist beschlossene Sache!«
»So sei es!« Pheroras reichte Arruntius Stella den Arm, beide faßten sich an den Handgelenken und drückten sie. Vitellius sah betroffen drein. Das Strahlen in seinen Augen, als er das Atrium betreten hatte, war einem verunsichert ausweichenden Blick gewichen. Poppäa, die noch immer neben ihm stand, bemerkte diese Unsicherheit sofort.
»Der Faustkampf ist nicht deine stärkste Disziplin?« fragte sie so leise, daß niemand es hören konnte.
Vitellius hob die Schultern und versuchte sich ein mühsames Lächeln abzuringen. Verstohlen suchte Poppäa seine Hand: »Du mußt dich vor diesem Kampf nicht fürchten. Ich glaube, ich kann dir helfen.«
Der Gladiator hatte sich jedoch bereits wieder in der Hand. Zorn blitzte aus seinen Augen. Er winkelte den linken Arm ab, machte eine Faust, hielt sie Poppäa vors Gesicht und sagte mit leicht erhobener Stimme: »Für das Angebot deiner Hilfe danke ich dir, Poppäa, aber ich brauche sie nicht; auf diese Faust kann ich mich verlassen. Sie wird den Kampf entscheiden – und nur sie!«
»Verzeih mir, wenn ich dich gekränkt habe«, entschuldigte sich Poppäa. »Du solltest nur wissen, daß alle meine Sympathien auf deiner Seite sind und daß der Kaiser bemüht ist, mir jeden Wunsch von den Lippen abzulesen. Ich glaube nämlich, daß Pheroras ein wahres Kesseltreiben in Szene setzen wird – nur, um deinen Kampfpreis, und damit seinen Gewinn, zu erhöhen. Pheroras ist gewohnt, mit hohem Einsatz zu spielen – er spielt mit deinem Leben.«
Vitellius sah Poppäa an. Der Zorn war aus seinen Augen gewichen. »Du giltst als Frau, deren Handeln allein vom Verstand geleitet wird. Die Römer spotten, du würdest dir, bevor du einen Morgengruß erwiderst, sogar überlegen, ob dir der Gruß von Nutzen sei …«
»Was kümmert mich das Gespött der Massen«, lachte Poppäa. »Von dir wird erzählt, du hättest die Kraft eines Hercules und dein Verstand sei kühl wie das Eis am Krater des Ätna. In Wirklichkeit bist du ein liebenswerter kleiner Junge aus der Provinz, dem Fortuna gewogen ist und der nichts mehr fürchtet, als daß die Glücksgöttin ihm eines Tages untreu werden könnte.«
Vitellius errötete. Es war schon einige Zeit her, seit ihn jemand ebenso treffend wie respektlos charakterisiert hatte. »Oder habe ich Unrecht?« fragte Poppäa. Der Gladiator antwortete leise: »Nein, nein.« Und nach kurzem Nachdenken: »Ich danke dir, Poppäa.«
»Wofür?« fragte sie.
»Für die Wahrheit!« sagte Vitellius. »Wer spricht in Rom heute noch die Wahrheit! Ein jeder hat nur den eigenen Vorteil im Sinn. Sie reden von Liebe und meinen die Lust, man spricht von Frömmigkeit und denkt an Gewinn, wer sich als dein Freund ausgibt, den mußt du fürchten; und selbst Seneca, der die Tugend predigt, tut dies nur für Geld. Dieses Rom steht auf dem Kopf: Sagt heute eine Frau nein, meint sie ja. Je mehr Schulden einer hat, desto größer ist sein Ansehen. Und ein Kaiser, der die Götterbilder anpißt, gilt als Göttlicher. Oh, welch eine Stadt!«
In der Gesellschaft wurde bereits getuschelt über das vertraute Gespräch, das Poppäa und Vitellius zu führen schienen. Seit Messalinas Tod war sie die meistbeachtete Frau in Rom, immer für einen Skandal gut und rätselhaft wie die Sphinx wegen ihres unklaren Verhältnisses zum Kaiser. Pheroras hatte scheinbar erreicht, was er mit großer List inszeniert hatte.
»Deine Rede gefällt mir«, meinte Poppäa nach einer Pause
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