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Der Gladiator

Der Gladiator

Titel: Der Gladiator Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Vandenberg
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Angeblich war sie an der Ermordung des Kaisers Claudius und Neros Stiefbruders Britannicus beteiligt. Pollio ermöglichte mir einen Besuch bei der Giftmischerin, einem verhärmten alten Weib mit strähnigen Haaren …«
    »Mit Gift ist Pheroras nicht beizukommen«, unterbrach Vitellius, »du weißt doch selbst, daß er keinen Bissen ißt, keinen Schluck trinkt, ohne daß einer seiner Vorkoster probiert hat.«
    »Glaubst du, Claudius hatte keinen Vorkoster? Und dennoch starb er an Gift, weil Halotus, der Vorkoster, und Xenophon, der Leibarzt, mit Agrippina unter einer Decke steckten. Halotus träufelte das Gift auf die Pilze, nachdem er sie selbst probiert hatte, und der Arzt Xenophon steckte dem Prinzeps einen vergifteten Federkiel in den Schlund. Es gibt immer Mittel und Wege.«
    »Und was gedenkst du zu tun?«
    »Ich werde Pheroras einen Apfel reichen, in den ich selbst gebissen habe. Der Apfel hat zwei Hälften, eine todbringende und eine harmlose.«
    »Mir bricht der Schweiß aus, wenn ich daran denke«, sagte Vitellius, »verdränge diese Gedanken aus deinem Bewußtsein. Lieber will ich kämpfen.«
    Mariamne antwortete: »Dann denke nicht daran. Am besten, du vergißt alles, was ich dir heute gesagt habe.«
    Der Tag war drückend heiß gewesen. Seit Wochen stöhnten die Römer unter einer unerträglichen Hitzewelle. Das wenige Grün in der Millionenstadt hatte sich in ein staubiges Braun verwandelt. Die Aquädukte über den Dächern der Stadt, die das kostbare Trinkwasser nach Rom hereinführten, drohten zu versiegen. Schuld sei der Kaiser, meinten die Römer, er habe den unverzeihlichen Frevel begangen, in einer der Wasserleitungen in die Stadt hereinzuschwimmen; die Wasserleitungen aber galten als heilig. Auf dem Kapitol brachten die Priester dem Jupiter Sühneopfer dar, sie schlachteten Zicklein und Widder, doch der Göttervater schien nicht bereit, die Opfer anzunehmen. Statt in den Himmel zu steigen, verbreitete sich der pechschwarze Qualm über das Kapitol, hüllte goldene Opferaltäre und weiße Marmorstatuen ein und brachte die Augen der Eingeweideschauer zum Tränen.
    »Furchtbare Zeichen des Himmels künden drohendes Unheil an«, orakelte der Haruspex. Durch die blutverschmierten Finger ließ er Innereien und Gedärme der Opfertiere gleiten und rief: »O Jupiter, leuchtender Tag, zürne nicht deinem Volke!«
    Murmelnd fielen die Priester in das Gebet ein, und als habe den Göttervater das Flehen gerührt, sandte er Blitze vom Himmel. Tiefe schwarze Wolken jagten über die Stadt, verängstigt suchten die Menschen ihre Häuser auf in der Erwartung lebenspendender Regengüsse.
    Der Oberpriester hob beide Arme zum Himmel: »Nimm dieses Opfer gnädig an, o Jupiter Optimus Maximus, und schicke uns den lange ersehnten Regen!«
    Im selben Augenblick schoß ein Blitzstrahl aus der Wolke und fuhr in den Opfertisch vor dem Tempel. Der schien plötzlich zu glühen. Ein krachender Donnerschlag warf den Opferpriester um und schleuderte die Opfertiere zur Seite; dann folgte eine unheimliche Stille. Erst als dicke Tropfen auf das staubig heiße Pflaster klatschten, wagten die Priester, sich vom Boden zu erheben. Verstört schleppten sie ihr Oberhaupt, das immer noch regungslos dalag, in den Tempel. Ein Inferno brach aus.
    Die dunklen Wolken lösten sich auf und stürzten in heftigen Güssen vom Himmel. Blitzschläge setzten zuckend die Stadt in Flammen, um sie Sekunden später wieder in furchterregende Dunkelheit zu tauchen. Rom, das wochenlang unter der Dürre gestöhnt hatte, schien auf einmal im Regen zu ertrinken. In kürzester Zeit standen ganze Straßenzüge unter Wasser. Blitze schlugen in Häuser ein. Zahlreiche Buden der Händler um den Circus maximus wurden von den Sturzbächen, die sich vom Aventin herab ergossen, überflutet oder fortgespült. Weinend und klagend wateten die Besitzer durch die Flut, rauften sich die Haare und drohten mit Fäusten gen Himmel.
    »O ihr Götter Roms, ist das der Dank für meine regelmäßigen Gebete?« rief der eine, und ein anderer brüllte in das tobende Inferno: »Ich verfluche dich, Jupiter, der du die Blitze schleuderst. Stets triffst du nur uns Arme!«
    Vom Fluß herauf verbreitete die Nachricht sich wie ein Lauffeuer: »Der Tiber brennt, der Tiber brennt!«
    Was in aller Welt hatte das zu bedeuten? In dieser Stadt, die beinahe jeden Tag von irgendeiner Katastrophe heimgesucht wurde, in der Häusereinstürze und Brandkatastrophen keine Seltenheit waren, machte der Ruf

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