Der Gladiator
Schreibsklaven, die meine Werke mit Tinte auf Papyrus kopieren und zu meterlangen Rollen zusammenfügen. Vier bis zwanzig Sesterze verlangt er für eine Schriftrolle – je nach Ausstattung. Das ist ein schöner Gewinn. Wäre ich an jedem einzelnen meiner Werke beteiligt, ich wäre in der Tat ein reicher Mann.«
»Dann hat dich offensichtlich deine Erziehungskunst wohlhabend gemacht. Schließlich hat nicht jeder das Glück, einen Kaiser zu seinen Schülern zählen zu dürfen.«
Seneca verteidigte sich: »Als ich Neros Ausbildung übernahm, konnte ich nicht wissen, daß er eines Tages das Weltreich regieren würde.«
Plinius lächelte: »Die Götter mögen dir glauben.«
Inzwischen drängten immer mehr Menschen in die Bibliothek. Konsuln, Senatoren und Staatsbeamte, keiner wollte sich das Ereignis entgehen lassen. Unter dem Publikum befanden sich auch zahlreiche Frauen in Begleitung einer Anstandsdame, die Frauen verehrten Seneca am meisten. Pheroras kam mit seinem Sekretär Fabius.
Der Senator Ollius, der auch auf dieser Veranstaltung nicht fehlte, sprach den Reeder an: »Sei gegrüßt Pheroras. Sich nach deinem Wohlbefinden zu erkundigen erübrigt sich wohl. Gewiß stehst du mit Jupiter im Bunde!«
»Wie meinst du das?« fragte Pheroras, der die Anspielung jedoch sehr wohl verstanden hatte.
»Nun«, meinte Ollius, »du hast über den Brand der Getreideflotte gewiß keine Tränen vergossen.«
»Sicherlich nicht; aber ich habe auch keine Bittopfer dargebracht, damit Jupiter eine Katastrophe solchen Ausmaßes schicke. Im übrigen habe auch ich zehn Schiffe verloren, draußen, im Hafen von Ostia. Dort hat der Sturm weitere zweihundert Schiffe vernichtet.«
»Was sind für dich zehn Schiffe. Ich bin sicher, du hast trotzdem noch genügend Laderaum, um die Versorgung der Stadt zu übernehmen.«
Pheroras nickte. »Meine Schiffe kreuzen in allen Teilen des Meeres, vor den Küsten Phöniziens und Lusitaniens, vor Karthago und Korinth. Kein Unwetter kann so groß sein, daß es alle meine Schiffe vernichtet.«
Ollius lachte. »Glücklich der, der so sprechen kann!«
Seneca begann mit seiner Lesung. Das eine Ende der Schriftrolle unter das Kinn geklemmt, die Rolle in beiden Händen, trug er aus seinem beliebtesten Werk vor, dem ›Glückseligen Leben‹.
»Ein glückliches Leben«, las Seneca, »wünscht sich ein jeder; doch die Voraussetzungen hierfür will keiner erkennen. Es ist ja wirklich auch gar nicht leicht, das Glück zu gewinnen: Einmal vom rechten Weg abgeirrt, entfernt man sich trotz eiligen Suchens immer weiter davon. Führt einen der Weg gar in entgegengesetzte Richtung, macht gerade die Eile den Abstand vom Glück um so größer. So bleibt denn nichts anderes, als daß man sich zunächst über sein Ziel klar wird, sodann über den Weg, der raschestens dorthin führt …«
Die Zuhörer nickten beifällig. Die Lebensweisheiten Senecas waren meist in Briefform an irgendeine Person gerichtet, mit der sich im Bedarfsfall jeder identifizieren konnte. ›Vom glückseligen Leben‹ war an einen gewissen Novatus adressiert.
Pheroras konnte mit dem Vortrag des weisen Mannes nur wenig anfangen. Deshalb raunte er, während sich Seneca über die Tugend ausließ, seinem Sekretär Fabius zu: »Ich gehe einen Augenblick an die frische Luft. Wenn Seneca geendet hat, muß ich mit den Konsuln sprechen. Ich bin gleich zurück.« Fabius nickte und lauschte weiter den Worten des Philosophen.
Die Zuhörer hingen an Senecas Lippen. Der kam umständlich auf den Gegensatz von Tugend und Sinneslust zu sprechen und beschäftigte sich dann mit der Habgier der Römer: »Dem Weisen ist der Reichtum ein Knecht, für den Toren ist er der Herr. Der Weise gestattet dem Reichtum nichts, euch ist der Reichtum alles. Ihr gewöhnt euch an ihn und klammert euch daran, als hätte euch jemand seinen ewigen Besitz versprochen; der Weise aber gedenkt dann gerade am meisten der Armut, wenn er mitten im Reichtum steckt. Niemals traut ein Feldherr so sehr dem Frieden, daß er sich nicht für den Krieg gerüstet hielte; denn schweigen auch gerade die Waffen, so ist der Krieg nicht aus der Welt …«
Senecas Vortrag wurde jäh unterbrochen. »Mörder!« gellte eine Stimme vom Eingang her. »Mörder!« Die Zuhörer reckten die Hälse. Zwei Sklaven traten aus dem Dunkel der Säulenhalle hervor. Auf ihren Armen trugen sie den leblosen Körper eines Mannes. Entsetzt sprang Fabius auf. Der Hals des Mannes war ein einziger Klumpen Blut. In der
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