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Der Gladiator

Der Gladiator

Titel: Der Gladiator Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Vandenberg
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»Der Tiber brennt!« doch neugierig. Ungeachtet des gefahrvollen Unwetters, der zuckenden Blitze und einstürzenden Häuser hasteten die Menschen zum Tiber hinab, viele liefen nackt. Am Forum Boarium wurde das ganze Ausmaß der ungewöhnlichen Katastrophe sichtbar. An der Tiberinsel, die zwei Brücken mit dem östlichen und westlichen Ufer verbanden, waren brennende Schiffe gestrandet. Blitzschläge hatten die Getreideschiffe der kaiserlichen Flotte in Brand gesetzt, und jetzt rammte, von der Strömung des Flusses getrieben, ein Schiff das andere. In kürzester Zeit loderten hundert Getreideschiffe samt ihrer kostbaren Fracht.
    Durch die Stadt wand sich ein unheimlicher Feuerwurm.
    Das erste Entsetzen hatte sich kaum gelegt, da begannen die Gaffer zu johlen und zu tanzen, als habe der Kaiser für sie dieses neuartige Schauspiel inszeniert. Brennende Menschenfackeln, die sich von den Schiffen in den Fluß stürzten, wurden vom Ufer mit Beifall bedacht und mit Anfeuerungsrufen ermuntert. Ein aufregenderes Schauspiel hätte sich Arruntius Stella, der Festveranstalter des Kaisers, nicht ausdenken können. Arruntius würde es schwer haben, diese Szenen jemals zu überbieten. Daß dabei teure Getreidevorräte vernichtet wurden, von denen eine Million Menschen drei Monate hätte leben können, wen kümmerte das schon. »Videant consules!« lautete die lakonische Antwort. »Die Konsuln sollen sehen, wie sie damit fertigwerden!«
    Tagelang waren Zehntausende von Sklaven bemüht, den Schlamm aus den Straßen wegzuschaufeln. Rom stank zum Himmel; die Cloaca maxima, der Hauptabwasserkanal der Stadt, hatte die Fluten nicht mehr aufnehmen können und die Abwässer in die Hauptstraßen gedrückt. Nun lag all das, was sonst in dem unterirdischen Abwassersystem verschwand, auf einmal auf den Straßen Roms herum: menschliche Exkremente, Küchenabfälle, Tierkadaver, ja sogar Leichen von Kindern. Aus Angst vor Seuchen wagten sich die Römer kaum noch auf die Straße. Das Forum schien verwaist. Das Wirtschaftsleben der Stadt drohte zu erliegen.
    Der Kaiser und seine Berater erkannten sehr schnell, daß diese unzumutbaren Zustände eine Verschwörung oder gar eine Revolution begünstigten. Nero ließ deshalb außer der Reihe kostenlose Getreiderationen verteilen, das lockte die Plebs auf die Straßen. Die Huren um den Circus maximus erhielten vom Kaiser ein Tagesfixum; dafür hatten sie ihre Freier kostenlos zu bedienen. Auf dem kapitolinischen Hügel wurde mit dem Bau eines monumentalen Triumphbogens begonnen, angeblich zur Erinnerung an den Sieg über die Parther. Nur war dieser Sieg noch gar nicht errungen, es stand im Gegenteil ziemlich schlecht für die römischen Legionen im fernen Asien. Aber der Zweck war erfüllt: Wen kostenlose Rationen von Getreide und Liebe noch nicht auf andere Gedanken gebracht hatten, den trieb nun die Neugierde auf die Straße.
    Für die Honestiores wurden Festveranstaltungen arrangiert. Der Kaiser forderte seinen ehemaligen Lehrmeister Seneca auf, eine Dichterlesung zu veranstalten. Seneca, dessen Werke von der Kritik stiefmütterlich behandelt, vom Volk jedoch verschlungen wurden, las in der Bibliothek des Augustus, die dem Apollontempel auf der dem Circus maximus zugekehrten Seite des Palatins angegliedert war. Alles, was Rang und Namen zu haben glaubte in dieser Stadt, drängte zu dem Ereignis.
    Der leger gekleidete Seneca begrüßte seine Gäste mit Handschlag. »Daß du, Plinius, mir die Ehre gibst, freut mich besonders. Ich meine, es wäre trefflicher, wenn du nach dieser Naturkatastrophe aus deinen Werken rezitieren würdest. Vielleicht hättest du in deiner Naturgeschichte eine Erklärung parat für die Ereignisse der letzten Tage.«
    »Gewiß habe ich eine Erklärung«, antwortete Plinius. »Die Götter wollten es so und nicht anders!« Die Umstehenden lachten. »Aber sag, wie steht es um den Verkauf deiner Schriften? Nachdem sie schon in aller Welt gelesen werden, mußt du doch steinreich sein!«
    »O Plinius!« lachte Seneca, »gerade du müßtest doch wissen, daß Literatur nur die Verleger reich macht. Zwar werden meine Schriften sogar in den mit Rauhreif überzogenen Landstrichen Britanniens gelesen, doch für den Dichter bleibt nur Ruhm und Ehre, den Gewinn macht mein Verleger Dorus.«
    »Jener Dorus, der auch den unsterblichen Livius mit seinen 142 Büchern ›Ab urbe condita‹ unters Volk brachte?«
    »Eben dieser. In seinem Verlag am Angiletum beschäftigt er mittlerweile zwanzig

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